Geringe Wasserlöslichkeit von hydrophoben Wirkstoffen und damit verbundene Probleme mit Bioverfügbarkeit und ­Wirksamkeit sind nach wie vor eine der größten Hürden in der Arzneimittelentwicklung. Besonders bei neu entwickelten Arzneistoffen ist geringe Wasserlöslichkeit eine immer häufigere Herausforderung; Schätzungen zufolge sind 90% der neu entwickelten Wirkstoffe davon betroffen. Doch es existiert eine Lösung.

Um eine gute Verfügbarkeit im Körper (Bioverfügbarkeit) und damit die benötigte Wirksamkeit zu gewährleisten, ist eine entsprechende Resorption im Zielgewebe von größter Bedeutung. ­Daher werden Arzneistoffe hinsichtlich ­ihrer zu erwartenden Bioverfügbarkeit nach dem „biopharmazeutischen Klassifizierungssystem“ (engl.: „biopharmaceutics classification system“; BCS) eingeteilt, welches die voraussichtliche Bioverfügbarkeit eines Arzneistoffs in Abhängigkeit setzt von dessen Löslichkeit und seiner ­Fähigkeit, durch das Gewebe des Intestinal­trakts zu diffundieren. Das BCS beschreibt vier Klassen, wobei in die erste Wirkstoffe mit hoher Löslichkeit und Permeation ­fallen, während die vierte Wirkstoffe mit niedrigem Permeationsvermögen und ­geringer Löslichkeit einschließt.

Abb. 1: Biopharmazeutisches Klassifizierungssystem. Quelle: Marinomed Biotech AG
Abb. 1: Biopharmazeutisches Klassifizierungssystem. Quelle: Marinomed Biotech AG

Geringe Löslichkeit entspricht schlechter Bioverfügbarkeit

Geringe Wasserlöslichkeit kann sowohl bei systemischer – und hier speziell bei oraler – Gabe als auch bei lokaler Anwendung von Medikamenten ein limitierender Faktor sein. Oral anwendbare Arzneimittelformen, z.B. Tabletten oder Kapseln, sind aufgrund der vergleichsweisen kosten­günstigen Herstellung und der hohen Patien­tenakzeptanz bevorzugte Darreichungsformen. Diese Arzneistoffe müssen das Darmepithel passieren, um über den Blutkreislauf in ihr Zielgewebe zu gelangen. Fettlösliche (= schwer wasserlösliche) Arzneistoffe durchdringen in gelöstem ­Zustand die lipophile Zellmembran zwar leicht – allerdings ist im wässrigen Milieu des Verdauungstrakts die Anzahl gelöster, lipophiler Moleküle stark limitiert. Die ­ungelösten Wirkstoffpartikel werden dann durch den kontinuierlichen Verdauungsprozess ausgeschieden, bevor sie resorbiert und wirksam werden können. ­Zusätzlich kann bei oral verabreichten Arzneimitteln die Resorption durch gleichzeitig zugeführte Nahrungsmittel oder Verdauungsprobleme aufgrund von Stress und Krankheit sowohl positiv als auch negativ beeinflusst werden.

Der Artikel ist in der Plattform Life Sciences-Ausgabe „25 Jahre Biotechnologie – What’s next?“ erschienen.

Auch über andere systemische Routen, z.B. als Infusion, verabreichte Arzneistoffe müssen in gelöster Form vorliegen, um ­Gefäßverschlüsse zu vermeiden und im Körpergewebe optimal aufgenommen zu werden. Zusätzlich muss eine therapeutisch wirksame Konzentration am ­Zielort gewährleistet werden können.

Bei lokaler Anwendung auf Haut und Schleimhaut mithilfe etwa von Cremes oder Nasensprays ist der Verbleib des Arzneistoffs an der applizierten Stelle ein ­wesentlicher limitierender Faktor. Auch hier ist die gelöste Form essenziell, um ­einen schnellen Eintritt in das Gewebe und dadurch wirksame Arzneistoffkonzentrationen am Wirkort zu erzielen.

 

Lösungsmittel sorgen für ­Nebenwirkungen

Um eine entsprechende Löslichkeit von schwer wasserlöslichen Wirkstoffen zu ­erreichen, werden oftmals organische ­Lösungsmittel eingesetzt, die sensible ­Gewebe, etwa Schleimhäute, stark reizen oder unerwünschte Nebenwirkungen verursachen können. Um Nebenwirkungen durch Lösungsmittel zu vermeiden, kommen stattdessen häufig Suspensionen ­(Mischung aus Flüssigkeit und darin fein verteilten Partikeln) zur Anwendung. Suspensionen können aufgrund des hohen Anteils an ungelöstem Wirkstoff zu einer geringeren Permeation führen als jene Formulierungen, in denen der Wirkstoff in gelöster Form vorliegt. Daher sind neue Formulierungstechnologien notwendig, um die Entwicklung gut verträglicher und besser verfügbarer Medikamente zu ­ermöglichen.

Neue Ansätze in der Formulierungstechnologie

Aktuell verfügbare Formulierungstechnologien zur Verbesserung der Löslichkeit von Arzneistoffen umfassen die Verab­reichung als Arzneimittelsalz, nanotechnologie- oder lipidbasierte Formulierungen, amorphe disperse Systeme oder die Zugabe von oberflächenaktiven Substanzen wie Tensiden. Nicht jede Methode passt zu jedem Wirkstoff, was die Formulierungsentwicklung für die pharmazeu­tische Industrie erschwert.

Symbolbild. Quelle: Marinomed Biotech AG
Symbolbild. Quelle: Marinomed Biotech AG

Benefits für Patient und Umwelt

Formulierungstechnologien zielen darauf ab, die Bioverfügbarkeit und damit auch die Wirksamkeit des Arzneimittels deutlich zu erhöhen und gleichzeitig eine gute Verträglichkeit für den Patienten zu ­gewährleisten. Mit der Solubilisierungstechnologie Marinosolv hat Marinomed bereits eigene Produktkandidaten in klinischen Studien erfolgreich validiert und bietet Kunden aus der pharmazeutischen Industrie diese zur Formulierungsentwicklung an. Die Formulierung auf Basis von Saponinen kann dabei ganz gezielt an den Wirkstoff angepasst werden, um die Löslichkeit individuell zu erhöhen und in weiterer Folge auch die Bioverfügbarkeit zu verbessern. Die Formulierung eignet sich speziell für lokale Anwendungen in sensiblen Geweben wie der Nasenschleimhaut. Der Patient profitiert durch die ­erhöhte Löslichkeit von einem schnelleren Wirkungseintritt bei gleichzeitig stark ­reduzierter Dosis. Auch für die Umwelt ist das von Vorteil, weil dadurch weniger Arzneistoffe in das Abwasser gelangen.

Der Artikel ist in der Plattform Life Sciences-Ausgabe „25 Jahre Biotechnologie – What’s next?“ erschienen: https://www.goingpublic.de/wp-content/uploads/epaper/epaper-Life-Sciences-3-2023/#58

Autor/Autorin

Dr. Eva Prieschl-Grassauer
Chief Scientific Officer (CSO) at Marinomed AG | Website

Dr. Eva Prieschl-Grassauer ist Immuno­login und verfügt über 30 Jahre Erfahrung in der Arzneimittelentwicklung. Sie ist Mitbegründerin der Marinomed Biotech AG und seither CSO des Unternehmens.