Die AATec Medical GmbH setzt auf die breiten entzündungshemmenden und antiviralen Effekte von Alpha-1-Antitrypsin, einem natürlichen, im menschlichen Körper vorkommenden Protein. Das Unternehmen entwickelt industriell gentechnisch hergestelltes AAT für die Behandlung verschiedener Erkrankungen der Atemwege.
Atemwegserkrankungen wie allergisches Asthma, Virusinfektionen, aber auch das akute Atemnotsyndrom („Acute Respiratory Distress Syndrome“; ARDS) sind weltweit auf dem Vormarsch. Der heutige Lebensstil, die demografische Entwicklung, der Klimawandel, Umwelteinflüsse und Migration tragen zu dieser Entwicklung bei, die Menschen, Gesellschaften und Volkswirtschaften in fast allen Regionen vor große Herausforderungen stellt.
Entwicklung von Atemwegstherapeutika
Das Münchner Start-up AATec Medical hat sich das Ziel gesetzt, wirksame, sichere und kostengünstige Atemwegstherapeutika zu entwickeln, um entzündliche Erkrankungen der Lunge zu behandeln und einen Beitrag zur Bekämpfung künftiger viraler Bedrohungen mit pandemischem Potenzial zu leisten. Es nutzt dafür die breiten entzündungshemmenden und antiviralen Effekte von Alpha-1-Antitrypsin (AAT).
AAT ist ein im menschlichen Körper natürlich vorkommendes Protein, das vorwiegend in der Leber produziert wird und im Blut zirkuliert. In der Lunge reguliert es unter anderem die Aktivität verschiedener Enzyme und schützt das Gewebe vor übermäßigen Entzündungen. Neue wissenschaftliche Daten belegen, dass AAT gleichzeitig über breite antivirale Eigenschaften verfügt.
Neue Herstellungsmethode für AAT
Bisherige, herkömmliche AAT-Produkte werden ausschließlich aus menschlichem Plasma hergestellt und müssen aufwendig auf mögliche Krankheitserreger untersucht werden. Plasmaspenden sind darüber hinaus weltweit knapp. AAT-Produkte sind daher teuer, nur begrenzt verfügbar und werden ausschließlich beim AAT-Mangel, einem schweren genetischen Defekt, eingesetzt. AATec hat eine industrielle, gentechnische Herstellungsmethode entwickelt, die die Einschränkungen der Plasmaproduktion überwindet und dadurch eine wesentlich kostengünstigere Herstellung von AAT-Produkten in gleichbleibend hoher Qualität ermöglicht.
Auf Basis vorliegender Daten zur Machbarkeit bereitet das Unternehmen für den ersten Produktkandidaten, ATL-105, derzeit eine klinische Proof-of-Concept-Studie vor, die voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2024 beginnen wird. ATL-105 soll im ersten Schritt für ARDS und virale Infektionen der Atemwege entwickelt werden. Um die lokale Anwendung des Medikaments zu erleichtern und seine Wirksamkeit optimal zu nutzen, wird der Produktkandidat für die inhalative Verabreichung entwickelt. Langfristig strebt das Unternehmen eine AAT-basierte Produktplattform an, mit der weitere Anwendungsgebiete wie Transplantation, AAT-Mangel und systemische entzündliche Erkrankungen erschlossen werden sollen.
Therapeutisches Potenzial bestätigt
Die Technologie des Unternehmens ist durch ein Portfolio von Patenten geschützt und basiert auf Forschungsarbeiten der Mitgründer Dr. Manfred Stangl, Leiter der Nieren- und Pankreastransplantation am Klinikum der Universität München und Chief Scientific Officer von AATec, sowie Dr. Michael Strassmair, Leiter der Abteilung für Handchirurgie der Facharztpraxis Manus Sana in den Räumen des Klinikums Starnberg/München und Chief Medical Officer von AATec. Dr. Rüdiger Jankowsky, ein erfahrener Biotechmanager und ebenfalls Mitgründer, leitet das Unternehmen. „In unserer präklinischen Forschung haben wir das therapeutische Potenzial von Alpha-1-Antitrypsin in verschiedenen Indikationen bestätigt. In Kombination mit einer inhalativen Anwendung werden wir einen entscheidenden Unterschied in der zukünftigen Behandlung von Entzündungs- und Infektionskrankheiten der Atemwege machen“, so Dr. Jankowsky.
Erfolgreiche Seedfinanzierung
Im Juli 2023 gab das Unternehmen eine Seedfinanzierung von 2,7 Mio. EUR bekannt, die von privaten Investoren, Branchenexperten und Family Offices unterstützt wurde. Mit diesen Mitteln soll die Technologie von AATec skaliert, das Team erweitert und die klinische Entwicklung von ATL-105 für den Start im Jahr 2024 vorbereitet werden.
Strategische Zusammenarbeit mit der Beurer GmbH
Die Beurer GmbH, ein weltweit tätiger Hersteller von Produkten für das Gesundheitswesen, gab am 31. Oktober 2023 eine strategische Zusammenarbeit mit AATec zur Entwicklung neuartiger innovativer Inhalationsgeräte bekannt. Die neuen Geräte sollen in Kombination mit den Produkten von AATec für die Behandlung von Atemwegserkrankungen wie dem akuten Atemnotsyndrom (ARDS), Virusinfektionen der Atemwege und Asthma eingesetzt werden. Im Rahmen der Vereinbarung wird AATec die präklinische und klinische Entwicklung, die behördliche Zulassung und die Kommerzialisierung durchführen. Beurer wird für die Entwicklung und Herstellung von Inhalationsgeräten verantwortlich sein. Durch die Zusammenarbeit erhält AATec Zugang zu Beurers Inhalationstechnologie und Produktionskapazitäten, und Beurer erweitert das Spektrum der pharmazeutischen Anwendungen seiner Produkte.
Kurzprofil AATec Medical GmbH
Gründung: 2022
Rechtsform: GmbH
Standort: München
Sektor: Biotechnologie/Pharmazie
Anzahl Mitarbeiter: fünf
Internet: www.aatec-medical.com
Der Artikel ist in der Plattform Life Sciences-Ausgabe „25 Jahre Biotechnologie – What’s next?“ erschienen. Die Informationen zur Kooperation mit der Beurer GmbH wurden nachträglich in diesem Online-Text ergänzt:
https://www.goingpublic.de/wp-content/uploads/epaper/epaper-Life-Sciences-3-2023/#122
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.