Börsengang
Wie Kabel Deutschland befindet sich auch Brenntag in Private-Equity-Besitz. Im Unterschied zum Kabelnetzbetreiber bietet der Chemiedistributeur jedoch in erster Linie Aktien aus einer Kapitalerhöhung an. Daraus können dem Unternehmen zwischen 483 und 588 Mio. EUR zufließen, wenn man die Preisspanne von 46 bis 56 EUR pro Aktie zugrunde legt. Bei kompletter Ausübung der Mehrzuteilungsoption aus 1,95 Mio. Aktien kann der Emissionserlös am oberen Ende der Preisspanne bei bis zu 837 Mio. EUR liegen – bei einem Streubesitzanteil von 29%. Die Marktkapitalisierung dürfte sich dann auf bis zu 2,8 Mrd. EUR belaufen. Dazu wirken neben Deutscher Bank und Goldman Sachs als Co-Konsortialführer u.a. BofA Merrill Lynch und J.P. Morgan am Börsengang mit.

Zahlen
Nach Verlusten in den Jahren 2007 und 2008 wies Brenntag im Jahr 2009 eine schwarze Null aus. Eine Prognose des KGV ist somit – ähnlich wie bei Kabel Deutschland – kaum möglich. Auch an einer Peer Group kann sich Brenntag schwer orientieren. Einziger börsennotierter Wettbewerber ist das britische Unternehmen Bunzl. Wie hoch der Abschlag im Vergleich zur Bewertung des Konkurrenten ausfällt, hängt mit der Bewertungsmethode zusammen: Wird das KGV herangezogen, wäre Brenntag am oberen Ende der Preisspanne sogar teurer. Beim Verhältnis von Eigenkapital plus Finanzschulden zum EBITDA läge der Abschlag zwischen 21 und 32%.

Brenntag – Geschäfts- und Kennzahlen

2009

2010e

2011e

Umsatz*

6.347

6.500

7.000

Nettoergebnis*

0,5

50,0

75,0

EpS

0,01

0,97

1,46

KGV min.

47,4

31,6

KGV max.

57,7

38,5

*) in Mio., sämtliche Angaben in EUR; Quelle: eigene Schätzungen GoingPublic Research


Geschäftsfeld
Die Chemiedistribution ist auf jeden Fall eine Branche mit Wachstumspotenzial. Laut einer Studie der Boston Consulting Group werden bislang gerade mal 9% des weltweiten Chemiehandels über Intermediäre wie Brenntag abgewickelt. In den Jahren 2006 bis 2008 ist der Markt für Chemiehandel mit durchschnittlich 10% stärker gewachsen als die Chemiebranche selbst mit 8,5%. Zudem ist dieser Markt sehr stark segmentiert: Mit einem Anteil von 7% und insgesamt über 150.000 Kunden ist Brenntag führend. Dabei ist das Mülheimer Unternehmen in Europa und Südamerika bereits die Nummer eins. Lediglich in den USA muss sich Brenntag mit dem dritten Platz zufrieden geben. Interessant für Brenntag und die Wettbewerber sind Liefergrößen, die kleiner sind als eine Lkw-Ladung. Größere Mengen werden direkt zwischen Käufer und Verkäufer gehandelt. Im Jahr 2009 organisierte Brenntag rund 3,3 Mio. Ausfuhren.

Schuldenlast
Wie bei Unternehmen in Private-Equity-Besitz nicht unüblich, hat Brenntag eine hohe Schuldenlast zu tragen: Die Nettoschulden belaufen sich auf rund 2,5 Mrd. EUR. Dass BC Partners ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 700 Mio. EUR in Eigenkapital wandelt, drückt die Verbindlichkeiten zunächst auf etwa 1,8 Mrd. EUR. Da die Erlöse aus der Kapitalerhöhung zum Schuldenabbau herangezogen werden sollen, würden davon nach dem Börsengang aber dennoch rund 1,3 Mrd. EUR bleiben. Konkret will Brenntag ein Mezzanine-Darlehen in Höhe von über 400 Mio. EUR begleichen, dessen Laufzeit eigentlich bis 2016 angelegt war. Das würde dem Unternehmen nach eigenen Angaben 25 Mio. EUR jährlich an Zins und Tilgung sparen.

Einkaufstour
Ein Grund für den hohen Schuldenstand von Brenntag ist wohl auch die rege Akquisitionstätigkeit des Unternehmens. Seit 1991 kaufte der Chemiehändler 91 Unternehmen, alleine seit 2007 waren es 21. Dabei handelt es sich allerdings meist um kleinere Betriebe, die Brenntag insgesamt 221 Mio. EUR (seit 2007) kosteten. In der Bilanz stehen durch die zahlreichen Zukäufe inzwischen fast 1,8 Mrd. EUR an immateriellen Vermögenswerten. Die Strategie der kleinen Übernahmen soll weiter verfolgt werden, die Finanzierung dabei aus dem Cashflow erfolgen.

Chancen und Risiken
Was das Marktumfeld angeht, sind sowohl Chancen als auch Risiken eher als gering einzustufen. Brenntag bewegt sich zwar an der Schnittstelle zweier volatiler Branchen – Chemie und Logistik –, jedoch wird der Markt voraussichtlich weiterhin moderat wachsen. Bei einem trotz Marktführerschaft gerade mal einstelligen Marktanteil rechnet sich Brenntag zu Recht Chancen aus, diesen weiter auszubauen. Dass das Unternehmen trotz seiner fast 100 Akquisitionen bislang noch nicht weiter ist, spricht für einen schwierigen Markt.

Auf bilanzieller Seite bleibt auch nach dem IPO eine Schuldenlast von deutlich über 1 Mrd. EUR stehen. Die Reduktion der Zinszahlungen um 25 Mio. EUR nach Begleichung des Mezzanine-Darlehens macht dabei nur bedingt Hoffnung auf nachhaltige Profitabilität. So stellt sich auch bei stabilem Geschäftsumfeld die Frage, ob Brenntag langfristig die Gewinnzone erreichen und halten kann.

Brenntag – Emissionsparameter
WKN

A1D AHH

Erstnotiz

29. März

Zeichnungsfrist

16.-26. März

Preis

46 bis 56 EUR

MarketCap

2,4 bis 2,9 Mrd. EUR

Marktsegment

Prime Standard

Emissionsprospekt

ja

Emissionsvolumen

10,5 Mio. Aktien aus Kapitalerhöhung,

2,5 Mio. Aktien von Altaktionären

weitere 1,95 Mio. als Greenshoe von Altaktionären;

Emissionsvolumen 688 bis 837 Mio. EUR

Konsortium

Deutsche Bank, Goldman Sachs (Co-Lead); diverse weitere

Free Float

max. 29%

Internet

www.brenntag.com


Fazit
Mehrheitseigner BC Partners gibt sich sichtlich Mühe, einen ordentlichen Börsengang seiner Tochter Brenntag zu gewährleisten. Dafür spricht schon die kurzfristige Eigenkapitalspritze in Höhe von 700 Mio. EUR, was die Passivseite der Bilanz freundlicher erscheinen lässt. Auch dass der Erlös der Kapitalerhöhung für den Schuldenabbau eingesetzt werden soll, ist mehr eine Notwendigkeit als ein erstrebenswertes Ziel. Allerdings nehmen die Alteigentümer eine abwartende Haltung ein: Schließlich bleiben nach dem IPO über 70% des Unternehmens in ihrem Besitz – in der Hoffnung auf eine höhere Bewertung in der Zukunft. Anleger sollten ähnlich abwartend verfahren: Den Nachweis, eine (noch) höhere Bewertung zu verdienen, muss Brenntag erst einmal erbringen.

Oliver Bönig, Falko Bozicevic

Autor/Autorin