Insbesondere bei großen Investmenthäusern gibt es eine spürbare Integration verschiedener ESG (Environmental, Social, Governance)-Kriterien in den Investmentprozess. Die Themen Nachhaltigkeit und Corporate Governance sind für deutsche Emittenten zwar nichts Neues, allerdings fließen immer mehr extra-finanzielle Kriterien in den Entscheidungsprozess über Kauf/Verkauf eines Wertpapiers ein. Auf Investorenseite bedeutet dies die Einbindung externer Researchanbieter, spezialisierter Dienstleister und Ratingagenturen sowie oftmals sogar den Aufbau eines internen ESG-Teams, das Richtlinien für Investments, Abstimmung und Governance erarbeitet. Emittenten und IR müssen sich dem zusätzlichen Themengebiet widmen, auch wenn die Themen Nachhaltigkeit und Governance Modewörter sind, mit denen man sich gerne schmückt. Sicher ist allerdings eines: Die neuen Stakeholder und Richtlinien sollten nicht nur erkannt und verinnerlicht werden, sie bieten auch eine Möglichkeit, an diese bislang „IR-immunen“ Investoren und Entscheidungsträger heranzutreten.

Neue Zielgruppe: Passive Investoren

Einige größere Emittenten haben bereits Erfahrung mit Sustainability- oder Governance-Roadshows gemacht. Wichtig wird dieses Thema nun auch für kleinere Unternehmen. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass neben der erhöhten Intransparenz durch Dark Pools und OTC-Trades ein weiterer Trend der deutliche Anstieg von passiv verwalteten Geldern (mittels Index oder Enhanced-Index Trackern, ETFs oder quantitativ verwalteten Fonds) ist, wird klar, wie wichtig diese neue Zielgruppe für eine aktive IR wird. Denn die aktiven Investoren sind schon längst nicht mehr nur die als Aktivisten abgestempelten Hedgefonds und Heuschrecken: Die gibt es zwar weiterhin, allerdings ist die größere Verschiebung bei traditionellen Investoren – Pensions-, Versicherungs- und Mutual Funds – zu sehen, die plötzlich allerlei Detailfragen zu nicht-finanziellen Themen stellen, Fragebögen schicken bzw. sich vor z.B. Hauptversammlungen auch mit Investoren passiv verwalteter Gelder zusammentun. Zudem werden durch die Krise auch die Investmententscheidungen vermehrt von der Governance-Entscheidung (z.B. Abstimmung) abgekoppelt, wodurch plötzlich auch von großen Investmenthäusern verwaltete Mandate sowie kleinere Retirementfonds etc. als mögliche Zielgruppe spannend werden.

Fazit

Aktive Investorenkommunikation wird durch die erhöhte Intransparenz am Kapitalmarkt – nur knapp 50% der Handelsvorgänge sind für den Emittenten sichtbar – wichtiger. Die neuen Themengebiete lassen plötzlich auch traditionelle und passive Investoren aktiver werden. Fluch, aber auch Segen zugleich, denn IR kann und muss sich auf diese Entwicklungen einstellen. Wichtig wird vor allem das Erkennen dieser Entwicklungen in der eigenen Aktionärsstruktur sein, verbunden mit einer Risikoanalyse der einzelnen institutionellen Investoren- und Stakeholder-Gruppen hinsichtlich Strategie, Bewertung, ESG-Einschätzung sowie deren Abhängigkeiten von externen Entscheidungsträgern und Informationen. Daraus wird sich eine klare Kommunikations- und IR-Aktivität ableiten lassen, die gezielt auf aktuelle und potenzielle Investoren zugehen kann, nicht nur um Risiken zu minimieren, sondern auch um das Potenzial dieser neuen Trends für sich auszuschöpfen und die eigene IR-Effizienz in diesem erweiterten Umfeld messbar zu machen.

 

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