Endlich ist der Mai vorbei und die Steuererklärung ist abgegeben. Jetzt kann der Sommer kommen – und bei uns im Osten ist er ja schon prächtig da. Jetzt kann man das Leben wieder genießen. Doch gleichzeitig mahlen die Mühlen hinter den verschlossenen Türen der Finanzämter und werden bald beginnen, ihren hässlichen Brei über uns auszukippen. Dann wird es langsam Herbst sein und mithin gleich doppelt eine unangenehme Jahreszeit beginnen.
In dieser Woche habe ich ein Interview mit dem Steuerrechtler Paul Kirchhof gelesen, der im letzten Bundestagswahlkampf von der Union für die Propagierung einer radikalen Steuervereinfachung nominiert wurde, dann allerdings nach erfolgreichen Verunglimpfungen seitens der SPD wieder fallengelassen werden musste. Was mich daran ungemein erstaunt und begeistert, ist, mit welcher Ruhe und Abgeklärtheit dieser Mann seine Thesen weiterhin vertritt. Er greift nicht zu Sprengstoff und jagt seine unfairen Gegner in die Luft, zieht sich auch nicht enttäuscht zurück, sondern bleibt bei seinen Argumenten und kämpft mit großer Beharrlichkeit weiterhin für seine Überzeugung. Für mich sind Menschen wie Paul Kirchhof große Helden der Gegenwart.

Kirchhof plädiert für eine Einheitssteuer in Höhe von 25 % auf ausnahmslos alle Bruttoeinkommen – bei gleichzeitiger Streichung sämtlicher Steuerprivilegien und Abzugsmöglichkeiten. Das bedeutet dann zwar sowohl ein Ende der Steuerprogression für die großen Einkommen als auch einen Wegfall von Vergünstigungen für Geringverdiener, hat jedoch zwei entscheidende Vorteile: Auf der einen Seite fällt der gesamte bürokratische Aufwand der Steuererklärung ersatzlos weg, was auf der anderen Seite de facto durchaus mehr Steuergerechtigkeit bedeutet.

Denn im Fall der Kirchhof-Steuer hat der Spitzenverdiener mit einem Einkommen von einer Million Euro keine Chance mehr, der Steuerlast zu entkommen, sondern wird 250.000 Euro von seinem Einkommen der Gemeinschaft zur Verfügung stellen müssen. Wohingegen Kleinverdiener von beispielsweise 20.000 Euro durch die Freibeträge eine Steuerlast von nur 1.400 Euro pro Jahr zu schultern hätten.

Doch warum hat dieses Erfolgsmodell kaum eine Chance auf Realisierung? Weil es eben überall Interessengruppen gibt, die mit ihre partikulären Vorteile in prinzipiell der selben Art verteidigen wie früher einmal die DDR die Mauer. Dieser Vergleich stammt natürlich nicht von Kirchhoff, obwohl er durchaus so etwas meint, worin man sofort erkennen kann, mit welcher Überlegenheit und Abgeklärtheit dieser Mann operiert – und sich keinesfalls in eine Unbesonnenheit oder gar Hass hinein ziehen lässt.

„Wir müssen aufklären, aufklären, aufklären“, sagt Kirchhof. „Das System der Privilegien ist ja hinterlistig. Bei 500 Privilegien hat letztlich jeder seines. Und glaubt, er sei im Vorteil gegenüber den anderen. Und ahnt nicht, dass er besser stünde, wenn alle Privilegien abgeschafft und dementsprechend die Steuern gesenkt werden würden.“

Kirchhoff berichtet von seinen Versuchen, unser Steuersystem radikal zu vereinfachen. Er wird bei den entscheidenden Leuten vorstellig und fordert: „Der Paragraph X muss weg!“ Und als Antwort erhält er dann: „Aber damit zerstören Sie mein Lebenswerk!“

Dennoch ist Kirchhof für die Zukunft durchaus nicht pessimistisch. Und sein Argument klingt gar nicht so unvernünftig, denn er sagt: „Ab 2009 werden wir bereits eine Flat Tax in Höhe von 25 Prozent haben, allerdings nur für die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Das ist ein Durchbruch. Dann stellt sich nämlich die Frage, ob für Einkünfte aus Arbeit noch Raum ist für 42 Prozent.“

Das Problem wird allenfalls darin liegen, wie in diesem Fall das notwendige Steueraufkommen zur Finanzierung der Ausgaben aufgebracht werden soll.

Bernd Niquet

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