Deutschland, ein Fahnenmärchen: Der Verbraucher macht endlich wieder das, was ihm rein vom Namen her schon zugedacht ist, und auch die Unternehmen sehen ihre Zukunft wieder deutlich positiver. Mal ehrlich: Vor drei Wochen sah die Welt auch nicht wirklich anders aus. Und so wahnsinnig inspiriert spielte die Nationalmannschaft keineswegs. Sonst wäre sie nicht mit 0:2 gegen eine Mannschaft ausgeschieden, die mit Francesco Totti von der heißesten Kandidatin auf den Titel zur Weltfußballerin des Jahres angeführt wurde und deren Spieler sich die meiste Zeit auf dem Rasen wälzten. Mit hinreichendem Realitätssinn ist der Deutsche Fan als solcher eben schon mit wenig zufrieden.

Noch nicht einmal die unsägliche Entscheidung gegen Torsten Frings tat der guten Laune im Vorfeld des Halbfinales einen Abbruch. Man weiß: Hoher FIFA-Funktionär wird nur, wer Sachverstandes völlig unverdächtig ist und Gerüchte, man sei der Korruption abgeneigt, sofort zerstreut. Da konnte nach menschlichem Ermessen also kein anderes Ergebnis herauskommen. Nun, nach dem Ausscheiden der Deutschen, stellt sich die spannende Frage: Hält die neue Befindlichkeit? Oder realisieren die Menschen, dass es auch noch so etwas wie eine Gesundheitsreform, den Wegfall von Steuervergünstigungen und eine saftige Mehrwertsteuererhöhung auf Ansage gibt?

Für Wirtschaft und Börse gilt: Das Meiste ist Psychologie. So gesehen kommen spannende Tage auf Anleger zu. Die Wirtschaftsinstitute melden, der Aufschwung werde zunehmend von der Binnenkonjunktur gespeist. War es wirklich die Vorfreude auf die WM und dann die Siegesserie, die nicht nur die Herzen, sondern auch die Portemonnaies der Menschen öffneten und den entscheidenden Ruck gaben? Oder überlagert der Mega-Event nur eine bereits zuvor bestehende Grundströmung? Die einschlägigen Statistiken der kommenden Wochen und Monate zum Beispiel zum Verbrauchervertrauen werden also deutlich spannender als üblich.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.