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Die Verkehrswende ist eingeläutet – dafür haben ein wegweisendes Urteil und der Ge-setzgeber gesorgt. Doch wenn Autos künftig mit Kohlestrom geladen werden, haben wir in der CO2-Bilanz nichts gewonnen. Die Lösung der Bundesregierung: grüner Wasserstoff.

Im Verkehrssektor ist eine 180-Grad-Wende in vollem Gange. Im Mai wurden die im nationalen Klimaschutzgesetz festgelegten Emissionsgrenzwerte bis zum Jahr 2045 so nachgeschärft, dass der Elektroantrieb für Autos alternativlos wird. Klar, dass sich VOLKSWAGEN zum Elekt-roantrieb bekennt und AUDI bekannt gibt, im Jahr 2035 nur noch elektrische Autos zu verkau-fen. Im Juli hat auch die EU in ihrem Gesetzespaket „Fit for 55“ vorgeschlagen, dass ab 2035 keine Autos mehr mit Verbrennungsmotor in Europa verkauft werden dürfen – vor allem für die deutsche Industrie ein Meilenstein.

Wie kam es dazu? Heuer hat sich in puncto Klimaschutz einiges getan. 2021 übertrifft in seiner Wirkkraft eindeutig das wegweisende Jahr 2015, in dem das Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet wurde. 2021 haben sich das Bundesverfassungsgericht und die Bundesregie-rung in ambitionierten – und erfreulichen – Klimaschutzzielen gegenseitig angespornt.

Klimaschutz vs. Freiheitsrechte

Von immenser Auswirkung ist dabei die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021 (1 BVR 2656/18). Gemessen an den meisten Entscheidungen des Gerichts liegt hier ein Paradigmenwechsel vor. Die Bundesrepublik ist nun verfassungsrechtlich verpflichtet, Klimaneutralität herzustellen. Klimaneutralität bedeutet für das Gericht, dass keine Treibhaus-gasemissionen (CO2) entstehen, oder aber der Atmosphäre die gleiche Menge wieder ent-nommen wird, die vorher ausgestoßen wurde. Karlsruhe hat das nun in Artikel 20a GG veran-kert, wenngleich dort vom Klima bisher nicht viel gestanden hatte. Nach Artikel 20a GG soll der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere schützen. Erst recht vermittelte Art. 20a GG bewusst keine gerichtlich einklagba-ren Rechte für die Bürger. Dem Staat wurde darin ein Schutzziel vorgegeben.

Dann kam das Bundesverfassungsgericht 2021. Der bisher unverbindliche CO2-Minderungspfad des Pariser Klimaschutzabkommens wurde zum Gebot von Verfassungsrang im Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht geht dabei rechtlich einen weiten Weg und hat heutige Generationen in einen Vergleich mit künftigen Generationen gestellt. Es gibt nun die „intertemporale Freiheitssicherung“.

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Umklammert wird alles vom CO2-Restbudget, welches sich das Gericht aus wissenschaftlichen Studien weltweit herleitet und dann auf Deutschland herunterbricht. Um das deutsche CO2-Restbudget einhalten zu können, werden Klimamaßnahmen von künftigen Bundesregierungen mit anderen Freiheitsrechten in Konkurrenz treten müssen. Der Eingriff in künftige Freiheits-rechte muss freilich verhältnismäßig sein; je enger es aber mit dem CO2-Restbudget wird, des-to größer darf der Eingriff sein.

Fliegen z.B. ist ein Freiheitsrecht. In der Logik des Bundesverfassungsgerichts kommt der Punkt, an dem dieses Freiheitsrecht verfassungskonform genommen werden kann, um dem Verfassungsgebot Klimaneutralität gerecht zu werden. Insofern entwickelt das Bundesverfas-sungsgericht eine schon heute geltende Vorwirkung. Es hält fest: Wenn sich die heutige Gene-ration nicht hinreichend stark begrenzt, werden künftige Generationen ganz plötzlich und radi-kal beschnitten werden müssen. Das sei nicht mit deren „Grundrecht auf Zukunft“ vereinbar. Schon heute muss als kräftig gegengesteuert werden.

Die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts werden massiv auf behördliche Entscheidun-gen durchschlagen. Je mehr sich der Behördenapparat daran gewöhnt, desto eher werden Klimaschutzziele in alltägliche Verhältnismäßigkeitsentscheidungen Einzug halten. All das ver-deutlicht, wie zentral diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben sind.

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Die Bundesregierung hat sich dann auch nicht zurückgehalten und ihr Klimaschutzgesetz un-mittelbar nachgeschärft. Passend und mit Blick auf die mahnenden Worte aus Karlsruhe hat die Bundesregierung „Generationenvertrag für das Klima“ über das Gesetz geschrieben. Im geänderten Gesetz werden die Zielvorgaben für CO2-Emissionen nochmals angehoben und die Minderungsziele auf die einzelnen Sektoren strenger heruntergebrochen.

Treibhausgasneutralität soll im Jahr 2045, nicht erst 2050, erreicht werden. Zudem werden ambitionierte Zwischenziele definiert – auch das hatte das Bundesverfassungsgericht verlangt. Schon im Jahr 2030 ist nun eine erste Minderungsstufe eingezogen. Für ein Umschwenken ganzer Industriesektoren ist das äußerst knapp.