Nun ist über die Weihnachtstage einige Zeit vergangen, seitdem die letzte Kolumne geschrieben wurde. Ich hoffe, Sie konnten gut in das neue Jahr 2014 starten. In China hingegen bereitet man sich auf die Neujahrsfeierlichkeiten vor, die das Land bereits ab Ende kommender Woche so langsam zum Stillstand kommen lassen. Am 31. Januar 2014 wird in China dann das Jahr des Pferdes beginnen. Menschen, die im Jahr des Pferdes geboren werden, sagt man nach, im Allgemeinen sehr beliebt zu sein. Angeblich strahlen Sie immer gute Laune aus, können gut mit Geld umgehen und planen ihr Leben langfristig. Sie besitzen Weisheit und viel künstlerisches Talent.

Eingehen möchte ich auf das ausführlich in der letzten Kolumne beschriebene dritte Plenum des Zentralkomitees. Einem dritten Plenum wird oft nachgesagt, fundamentale Entscheidungen zu treffen, die die Zukunft Chinas wesentlich beeinflussen. Zwischen dem 9. und 12. November 2013 tagte dieses Plenum in Peking, von dem viel erwartet wurde. Ob sich diese Erwartungen allerdings erfüllen, bleibt auch nach dem Abschlusskommuniqué weiter offen.

Mit großem Interesse der Öffentlichkeit wurde das Abschlusskommuniqué des dritten Plenums des 18. Zentralkomitees erwartet. Wer jedoch mit Details in diesem Dokument gerechnet hatte, der wurde enttäuscht, es ist sehr vage und offen gefasst. An erster Stelle ist zu erwähnen, dass zwei neue nationale Organe aufgebaut werden. Zum einen ein Nationaler Sicherheitsausschuss und zum anderen ein auf zentraler Ebene geführter Ausschuss zur Leitung der allgemeinen Planung, Überwachung und Koordinierung von Reformen.

Eine der großen geplanten Reformen ist die Lockerung der Ein-Kind-Politik. Es soll Paaren erlaubt sein, ein zweites Kind zubekommen, falls eins der Elternteile selber Einzelkind ist. Die Bevölkerung erhofft sich dadurch weniger Eingriffe des Staates in die private Lebenssphäre. Auch soll diese Entscheidung der Überalterung der chinesischen Gesellschaft und dem drohenden Mangel an Arbeitskräften entgegen wirken.

Eine weitere Reform steht im Bildungssystem an. Hier soll das sog. Gaokao-System verändert werden, um den Bildungsgrad der Schüler zu erweitern. Bisher zielte das System darauf ab, dass sich Oberstufenschüler auf eine Spezialisierung festlegen, da nur für den Studiengang relevante Schulfächer in die Gewichtung des Eignungstests für die jeweilige Universität einfließen (sowie das Ergebnis der Gaokao-Prüfung). Dadurch kommt es oft zu einer einseitigen Bildung der Schüler, die nur in ihren relevanten Fächer bemüht sind und dabei andere Fächer vernachlässigen.

Desweiteren soll es eine Reform des Hukou-Systems geben, indem ein faires und nachhaltiges Sozialsystem geschaffen wird. Alle Restriktionen gegenüber der Landbevölkerung, die in kleine Städte ziehen wollen, sollen fallengelassen werden. Für mittelgroße Städte sollen die Restriktionen nach und nach gelockert werden, doch für Metropolen (wie Shanghai) wird es mittelfristigen zu keiner Änderung kommen. Hier wird lediglich von Veränderungen gesprochen, bei denen der Staat weiterhin die Kontrolle behalten wird, um einen unkontrollierten Zuzug der Wanderarbeiter in die Metropolen zu verhindern. Auch eine Landreform ist angedacht. Es ist aber unklar, ob Bauern von nun an frei über ihr Land verfügen dürfen. Jedoch soll es zu einer Vereinheitlichung des Marktes für Baugrundstücke in Städten und in Dörfern kommen. Würden Bauern wirklich die volle Verfügung über das ihnen zustehende Land erhalten, wäre das eine gravierende Änderung zur aktuellen Situation.

Zusätzlich wird es im Justizsystem zu Neuerungen kommen. Ein Aspekt ist eine geplante Steigerung von Transparenz, jedoch ist die erste Amtshandlung des Obersten Volksgerichtshofes (OVG) in diesem Zusammenhang für Europäer eher zum Schmunzeln. Ein Internetblog, in dem der OVG aktuelle Entscheidungen darstellt, erscheint nicht als Steigerung der Transparenz im eigentlichen Sinne. Die erste Mitteilung des OVG lautet wie folgt: „Um die Versprechen des 3. Plenums des 18. Zentralkomitees bezüglich gerichtlicher Transparenz zu honorieren und der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, an Informationen über die Tätigkeiten der Volksgerichte zu kommen und diese auch überwachen zu können, hat das OVG heute ein Weibo-Konto eröffnet (Anmerkung – SINA Weibo ist das chinesische Twitter). Als offizielles Mitteilungsorgan des OVG wird der besagte Weibo-Blog wichtige Informationen von den und über die Volksgerichte(n) aller Ebenen sowie Informationen über rechtliche Interpretationen und Nachrichten zu Gesetzen und Gerichtsurteilen bieten.“

Abschießend und für Unternehmen in Deutschland bedeutsam ist folgende Kernaussage des Abschlusskommuniqué: Der Markt soll künftig eine bestimmende Rolle spielen. Diese Formulierung klingt zunächst nicht revolutionär, wäre aber ein großer Schritt nach vorn für China. Erstmals wird erklärt, dass sowohl öffentliche als auch private Unternehmen Bestandteiles des sozialistischen Marktes sind und beide den gleichen Stellenwert besitzen. Zudem wird angedeutet, dass sich der Staat weiter aus der Wirtschaft zurückziehen will, um der Privatisierung mehr Freiraum zu gewähren. Jedoch will der Staat sich nicht komplett die Kontrolle nehmen lassen und bei Bedarf eingreifen können. Inwiefern diese widersprüchliche Aussage einen Konflikt darstellt oder ob dies nur Bemühungen der Parteiführung sind, alle wirtschaftlichen Interessengruppen zu beruhigen, bleibt offen. Es wäre aber ein großer Schritt zu einem offeneren chinesischen Wirtschaftssystem. Erklärtes Ziel der Regierung ist, bis spätestens 2020 ein einheitliches, offenes, wettbewerbsfähiges und geordnetes Marktsystem zu erschaffen und alle oben genannten Reformen abzuschließen. Zu erwähnen ist hier auch, dass der mehr als ein Jahr andauernde, staatlich auferlegte Stop bei Börsengängen in Shanghai und Shenzhen kürzlich beendet wurde und nun auch wieder in Festland-China Börsengänge stattfinden.

Abschließend ist noch zu bemerken, dass im Kommuniqué immer wieder der Schutz der Umwelt erwähnt wird und dass dieser Aspekt nicht vergessen werden dürfe. Das China nicht immerzu umweltfreundlich handelt und die örtliche Luftverschmutzung ein großes Thema darstellt, ist bekannt. Im Rahmen meiner nächsten Kolumne möchte ich vertieft auf dieses Thema eingehen.

Da just jetzt mein Koffer gepackt und eine Bordkarte nach Shanghai ausgestellt ist, werde ich Ihnen auch direkt berichten können. In den vergangenen Jahren hat mich das Thema Luftqualität persönlich wenig interessiert und ich bin gespannt, welche Eindrücke ich dieses Mal sammeln kann.

Enden soll die Kolumne mit einem Zitat aus dem Handelsblatt vom 14. Januar: „Rückkehr des China-Booms“. Nach einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 7,8% 2012 und 8,0% 2013 erwarten Ökonomen für 2014 ein Wachstum von 8,6%. Der eng mit China verzahnten Wirtschaft in Deutschland kann dieses nur Recht sein.

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