Claas bezeichnet sich als „kapitalmarktorientiertes Familienunternehmen“, ein Gang an die Börse sei jedoch keinerlei Thema.

Landtechnik – echte Boom-Branche
„Wie kein anderes Unternehmen hat Claas die Entwicklung der Landtechnik vorangetrieben“, lobt sich das Unternehmen auf der Webseite. Erfindergeist, Weitsicht und Kundennähe seien die treibenden Faktoren für den Erfolg des Unternehmens gewesen. Wie auch immer: Erfolg hat das Unternehmen; selbst in der zurückliegenden Krise ist es hochprofitabel geblieben. Obwohl im Geschäftsjahr 2010 ein Umsatzrückgang um 14,7% auf 2,75 Mrd. EUR zu verzeichnen war, betrug das EBIT 116 Mio. EUR und der Konzerngewinn 51,5 Mio. EUR.

Claas befindet sich in einem nachhaltigen Boom-Markt, denn sowohl die wachsende Weltbevölkerung mit der Notwendigkeit steigender Nahrungsmittelproduktion als auch die Energiewende mit starker Ausweitung des Anbaus von Energiepflanzen führen zu stetig steigenden Anforderungen an die Erntetechnik: Immer mehr Material muss schnell und effizient geerntet werden. Gerade in den riesigen Monokulturen mit Anbauflächen gigantischen Ausmaßes kann nur noch maschinell mit sehr leistungsstarken Geräten gearbeitet werden.

Hightech auf der Krume
Landtechnik – das Wort mag dem geneigten Hightech-Investor ein Lächeln ins Gesicht treiben, doch wer an den 36er-Maulschlüssel und ein Ölkännchen denkt, liegt weit daneben. Aktuelle Mähdrescher arbeiten mit einer Schneidwerksbreite von bis zu 12 m, einem Korntankvolumen von 12.000 Litern und einer Flächenleistung von 60 Tonnen je Stunde. Die neueste Mäher-Generation von Claas läuft auf einem Raupenfahrwerk und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 41 km/h. Für Lohnunternehmer, die schnell von Einsatz zu Einsatz müssen, ein erheblicher Kostenvorteil. Class nennt die Mitarbeiter bei Vorführungen übrigens nicht Fahrer, sondern Piloten.

Anfänge in Westfalen vor 100 Jahren
Die Anfänge des Unternehmens reichen ins Jahr 1913 zurück, als August Claas in Clarholz/Westfalen die Firma gründete. Ein Jahr darauf traten Franz und Bernhard Claas ein, die Firma hieß fortan Gebr. Claas. 1919 erfolgte der Umzug ins benachbarte Harsewinkel, noch heute Hauptsitz. Mit der Fertigung von Strohbindern startete das junge Unternehmen, 1921 wurde das erste Patent für einen Knoterapparat erteilt. Über Strohpressen näherte sich Claas der Kernkompetenz an: 1936 kam der erste in und für Europa konstruierte Mähdrescher auf den Markt. Bis 1953 wurden gezogene Mäh-Dresch-Binder gefertigt, die dann von selbstfahrenden Maschinen ersetzt wurden.

1956 startete die Expansion mit Gründung des Werkes Paderborn, 1962 erfolgte die Produktionsaufnahme im neuen Pressenwerk in Metz, 1969 erweiterte Claas die Produktpalette durch die Übernahme der Landmaschinenfabrik Bautz in Saulgau um Futtererntemaschinen. Früh startete die Internationalisierung, denn schon 1971 erfolgte die Entwicklung eines Zuckerrohr-Vollernters. Mittlerweile produziert Claas an 14 Standorten weltweit, und auch die landwirtschaftliche IT wird nicht vernachlässigt: Claas entwickelte ein elektronisches, satellitengestütztes landwirtschaftliches Informationssystem: Die AGROCOM GmbH & Co. Agrarsysteme KG bietet seit 1998 landwirtschaftliche Informationssysteme und Software für landwirtschaftliche Betriebe. 2003 übernahm Claas die Traktorsparte von Renault.

Familienunternehmen am Kapitalmarkt aktiv
„Die Finanzierung unseres Unternehmens ist zentraler Bestandteil unserer Strategie, mit der wir den Boden für kontinuierliches Wachstum bereiten. Darin besetzen wir als kapitalmarktorientiertes Familienunternehmen eine Vorreiterrolle. Wie börsennotierte Kapitalgesellschaften nutzt Claas zur Finanzierung der langfristigen Projekte den Kapitalmarkt“, lässt das Unternehmen wissen. „Als Familienunternehmen können wir es uns leisten, unseren Erfolg dabei nicht nur auf Quartalsbasis zu messen, sondern unsere Unternehmenspolitik an einer langfristigen Wertentwicklung auszurichten.“

Bereits 2002 hatte Claas Schuldverschreibungen über 200 Mio. USD im Rahmen eines Private Placements am US-Markt begeben. Das Papier sei vor allem von US-amerikanischen Versicherungsgesellschaften gezeichnet worden. 2004 folgte eine weitere Finanzierung über 80 Mio. EUR per Equity Bond, der als Perpetual aufgelegt ist, aber ab 2014 von Claas gekündigt werden kann. Die Anleihe mit einem Kupon in Höhe von 7,62% ist an der Börse in Luxemburg notiert.

Fazit
Die Claas KGaA mbH bilanziert bereits nach IFRS und ist auf dem Kapitalmarkt auch international sehr aktiv. Das Familienunternehmen hält für Kunden eine eigene Finanzierungsgesellschaft vor – ein Börsengang war offenbar zu keiner Zeit ein Thema und wird es nach den Angaben eines Sprechers auch in absehbarer Zeit nicht werden. Die Börsenreife des Unternehmens steht dabei außer Frage – die Familie hat aber andere Wege gefunden und als attraktiver erachtet, das Wachstum gerade im vergangenen Jahrzehnt inklusive Akquisitionen zu finanzieren.

Stefan Preuß

Kurzprofil Claas KGaA mbH
Gründungsjahr: 1913
Branche: Erntemaschinen
Unternehmenssitz: Harsewinkel/Niedersachsen
Mitarbeiter 2010: 8.968
Konzernumsatz 2010: 2,475 Mrd. EUR
Gewinn: 51,5 Mio. EUR

Ursprünglich erschienen in der GoingPublic Ausgabe 07/2011.

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