Familienunternehmen und Börsennotiz – passt das eigentlich zusammen? Um es gleich vorwegzunehmen: ja, und zwar sogar sehr gut. Auch für Familienunternehmen kann der Kapitalmarkt, sprich die Börse, durchaus eine gute Alternative oder Ergänzung bei der Kapitalaufnahme sein. Ein häufiges Argument, warum Familienunternehmen die Börse meiden, ist die Befürchtung, dass dann „Fremde“ im Unternehmen mitreden oder man zu erhöhter Transparenz gezwungen ist.

Bei der Aufnahme von Eigenkapital durch ein IPO (Initial Public Offering), also die erstmalige Ausgabe von Aktien, mag dies teilweise zutreffend sein. Allerdings kann der Einfluss der Familie im Unternehmen auch nach einem klassischen Börsengang erhalten bleiben, etwa durch die Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien.

 

Die Aufnahme von Fremdkapital über die Börse

Es muss aber ja auch nicht sofort ein IPO sein. Derzeit erfreut sich vielmehr die Aufnahme von Fremdkapital über die Börse durch die Emission von Anleihen gerade durch mittelständische Unternehmen, die häufig ja familiengeführt sind, zunehmender Beliebtheit. Mehr als 50 Unternehmen haben in den vergangenen zwei Jahren die Emission einer Unternehmensanleihe als alternatives oder ergänzendes Finanzierungsinstrument für sich entdeckt. Dieser Trend dürfte sich eher noch verstärken als wieder abflachen, auch wenn es bereits die ersten Insolvenzen in diesem noch jungen Markt gegeben hat. Eine höhere Rendite bedeutet immer auch ein höheres Risiko. Das ist an der Börse eigentlich auch nichts Neues. Ein Rating besagt nun einmal nichts anderes als eine Ausfallwahrscheinlichkeit, und die ist bei Unternehmensanleihen kleinerer Unternehmen nun einmal größer als bei Bundeswertpapieren.

Unterschiedliche Beweggründe

Die Motivation der Unternehmen für einen solchen IBO (Initial Bond Offering) kann vielschichtig sein: Sehr häufig ist es der Wunsch nach größerer Unabhängigkeit oder eine größere Zurückhaltung bei den Kreditinstituten, die aufgrund von Basel III ihre Kreditengagements mit mehr Eigenmitteln unterlegen müssen und aus diesem Grunde möglicherweise hier restriktiver werden.

Eines aber müssen auch Familienunternehmen in jedem Fall mitbringen, und das ist der unabdingbare Wille zur Transparenz. Jeder Investor – ob institutionell oder privat – will schließlich wissen, wem er sein Geld gibt und wofür dieses verwendet werden soll. Transparenz schafft Vertrauen, und dieses ist an der Börse essenziell. Generell sind Image und Bekanntheit von Gesellschaften mit einer Börsennotiz größer als die von „privaten“ Familienunternehmen. Nichts verschafft so viel Aufmerksamkeit wie die Börse. Motivation für die Begebung einer börsennotierten Unternehmensanleihe kann auch die Steigerung des Bekanntheitsgrades eines Unternehmens sein.

Die Vorteile der Begebung einer Unternehmensanleihe bestehen in der Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum sowie in der Möglichkeit, auch größere Beträge aufzunehmen, ohne diese besichern zu müssen, und in der Freiheit, die aufgenommenen Mittel nicht zweckgebunden einsetzen zu müssen.

Privatanleger ansprechen

Bei der Platzierung von Anleihen über die Börse können über eine spezielle Zeichnungsfunktionalität gezielt auch Privatanleger angesprochen werden. Diese können Zeichnungsaufträge über ihren Berater oder online so einfach erteilen wie eine Wertpapierorder im laufenden Handel, sprich so wie sie es gewohnt sind. Für Emittenten eröffnet sich nicht nur ein Weg, den Vertrieb auf eine einfachere und breitere Basis zu stellen, er kann sich auch ganz neue Investoren erschließen.

Die Zugangsvoraussetzungen sind an den einzelnen Plätzen durchaus unterschiedlich. Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass eine Emission mindestens ein Volumen von 10 bis 15 Mio. EUR haben sollte. Dieses hängt damit zusammen, dass es einfach gewisse fixe Kosten gibt, etwa für die Erstellung eines Börsenprospekts oder für ein Rating jeweils von etwa 30.000 EUR, und sich Emissionen unterhalb der genannten Grenze dann schlicht nicht mehr rechnen.

Fazit

Ich glaube, dass die Aufnahme von Fremdkapital über die Börse durch die Begebung von Unternehmensanleihen für immer mehr Unternehmen eine ernsthafte Finanzierungsalternative sein wird. Hierfür sprechen vor allem das gegenwärtig günstige Umfeld mit sehr niedrigen Zinsen auf der einen Seite und damit einhergehend auch ein gewisser zu spürender Anlagedruck bei den Investoren. Mittelstandsanleihen beginnen mit steigender Anzahl der Emissionen sich als Anlageklasse mehr und mehr zu etablieren und für den Kapitalmarkt interessant zu werden – mittlerweile gibt es sogar entsprechend spezialisierte Fonds. Das Thema Mittelstandsanleihen wird uns also noch eine ganze Weile begleiten.

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