Die Folgen von Hurrikan „Sandy“ waren auch am IPO-Markt spürbar. Dabei war der Wirbelsturm für viele Neulinge noch nicht einmal das größte Problem.

Mit der Wiederwahl Barack Obamas schien an den Märkten ein radikales Umdenken eingesetzt zu haben. Plötzlich war das zum Jahresende drohende „fiscal cliff“ in das Bewusstsein von Wall Street zurückgekehrt. Es kam zu zum Teil drastischen Kursrückgängen. Gleichzeitig nahm die Unsicherheit und Volatilität spürbar zu. Darunter litten ebenfalls viele IPO-Transaktionen, die wahlweise verschoben oder in ihren Konditionen kurzfristig verändert werden mussten. Hinzu kamen organisatorische und terminliche Hürden als Folge des Hurrikans „Sandy“ sowie zweier fehlender Handelstage. Im Ergebnis dürfte auf einen überaus erfolgreichen Monat Oktober ein ungleich ruhigerer November folgen. Dank des Facebook-Polsters und eines soliden Vorsprungs aus dem Frühjahr zeichnet sich gleichwohl ein im Vergleich zu 2011 besseres IPO-Jahr ab. Ebenso erfreulich ist die zuletzt solide Kurs-Performance vieler Neuzugänge, die ihre Gewinne in der Folge meist ausbauen konnten.

Öko ist chic – auch an der Börse
„Organic Food“, also ökologische und möglichst naturbelassene Lebensmittel, sind auch in den USA der große Trend im Konsumentenverhalten. Davon profitieren Unternehmen wie WhiteWave, das Ende Oktober ihr erfolgreiches Debüt an der NYSE gab. Nachdem die Zahl der angebotenen Aktien zunächst um 15% auf 23 Mio. Stücke angehoben wurde, startete der Wert mit einem soliden Aufschlag von knapp 12% in den Handel. Dabei erfolgte die Zuteilung bereits oberhalb der ursprünglichen Preisspanne. Die Einnahmen von 391 Mio. USD wird der Hersteller von pflanzlichen und milchbasierten Lebensmitteln und Getränken zu einem Großteil für die Rückzahlung von Verbindlichkeiten an die Mutter Dean Foods einsetzen. Ein kleinerer Teil ist zudem für die Tilgung von Bankkrediten vorgesehen. Der Aktienkurs von Dean Foods reagierte ebenfalls positiv auf den Börsengang. Derzeit billigen die Anleger WhiteWave eine Bewertung von knapp 2,8 Mrd. USD zu. Dem gegenüber standen im ersten Halbjahr Umsätze von 1,1 Mrd. USD (+13%) und ein Nettogewinn von 58 Mio. USD (+34%). Analysten erwarten eine Fortsetzung des dynamischen Wachstums.

IPO-Pipeline wächst und wächst
Dass an IPO-Kandidaten grundsätzlich kein Mangel besteht, zeigt ein Blick auf die rege Antragstätigkeit bei der US-Börsenaufsicht SEC. Diese führt zurzeit knapp 130 Unternehmen, welche die entsprechenden Unterlagen bereits eingereicht haben und sich in konkreten Vorbereitungen auf den eigenen Börsengang befinden. Dabei könnten die potenziellen Neulinge zusammen rund 39 Mrd. USD einsammeln. Auch wenn am Ende dieser Maximalwert nicht erreicht werden dürfte, so zeigt es doch, dass der Kapitalhunger der Unternehmen nach wie vor groß ist. Über 50 der SEC-Filings wurden dabei in den vergangenen drei Monaten konkretisiert respektive in wichtigen Eckpunkten verändert. In den meisten Fällen wurde hierbei das geplante Emissionsvolumen nach oben oder unten angepasst. Zu den Antragstellern zählt seit Kurzem auch der Vermögensverwalter Artisan Partners. Dieser plant, bei Anlegern bis zu 250 Mio. USD einzusammeln. Bereits im April 2011 hatte die Gesellschaft einen ersten Antrag bei der Börsenaufsicht gestellt, diesen dann jedoch Ende des Jahres wieder zurückgezogen. Auch bei ausländischen Emittenten bleibt der amerikanische Börsenplatz äußerst beliebt. So reihten sich die japanische Rechtsberatungsfirma UBIC, der luxemburgische Softwarekonzern GFI sowie die israelische Babylon in die lange Liste der Börsenaspiranten ein.

Absagen nahmen zuletzt zu
Aufgrund der jüngsten Turbulenzen zeigten sich Anleger in ihrer Risikofreudigkeit jedoch deutlich gebremst. Die Folgen dieser Zurückhaltung bekamen vor allem kleinere, noch defizitäre IPO-Kandidaten zu spüren, die ihren geplanten Börsengang in vielen Fällen sogar ganz auf Eis legen mussten. Allein seit Anfang November summieren sich die Absagen inzwischen auf rund ein Dutzend Unternehmen. Zu den prominenteren Deals, die bis auf weiteres verschoben sind, zählen die Börsengange des Hypotheken-REITs Arbolada (geplantes Emissionsvolumen: 300 Mio. USD) und des Auktionsseitenbetreibers Taylor & Martin (171 Mio. USD). Andere Debütanten waren wiederum gezwungen, die Größe des öffentlichen Angebots zurückzuschrauben, wollten sie den Erfolg ihres Börsengangs nicht gefährden. Enttäuschend verlief der erste Handelstag beim Wi-Fi-Spezialisten Ruckus Wireless. Nachdem die Aktie zunächst am oberen Ende der Preisspanne zugeteilt worden war, gab sie bei ihrem Debüt gleich um fast ein Fünftel im Wert nach.

Fazit
Das Zeitfenster für einen Börsengang noch im laufenden Jahr schließt sich allmählich. Unternehmen, die bislang keine Unterlagen bei der SEC eingereicht haben, werden wohl bis 2013 mit einem IPO warten müssen. Sah es Anfang Oktober noch ganz nach einem regen Schlussquartal aus, so muss dieser Ausblick inzwischen doch korrigiert werden. Die jüngsten Turbulenzen, zu denen auch der Hurrikan „Sandy“ gezählt werden muss, haben den Terminplan vieler Unternehmen im wahrsten Wortsinne durcheinander gewirbelt. Nach einem bislang eher enttäuschenden November-Geschäft mit einer Reihe von Absagen bleibt die Hoffnung auf einen versöhnlichen Schlussspurt.

Dieser Artikel ist erschienen im GoingPublic Magazin 12/2012.

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