Über die Strategie jeglicher Notenbanker darf man durchaus geteilter Meinung sein. Ob die Fed unter Alan Greenspan durch die extreme Niedrigzins-Phase die Übernahme-Exzesse der Hedgefonds und die Krediteskapaden im Subprime-Bereich ursächlich heraufbeschworen hat oder die EZB tatsächlich gut beraten wäre, die Leitzinsen zeitnah zu senken, um Druck vom Euro zu nehmen – es darf diskutiert werden. Und die Milliardenspritzen für den Geldmarkt waren vielleicht wirklich ein wenig früh – aus therapeutischen Gründen hätte man durchaus einige der wildesten Zocker erst über die Klinge springen lassen und Karrieren beenden können, bevor der Geldhahn aufgedreht wurde.

Dessen allen eingedenk bleibt aber festzuhalten: Die Unabhängigkeit der EZB stellt ein immens hohes Gut dar. Fragen der Zinsen, Geldmengen und Währungsrelationen in die Hand der Politik zu geben bedeutete, die Axt an jegliche Wurzeln vernünftiger Geldpolitik zu legen. Sarkozy weiß, dass er die EZB-Granden nicht unter Druck setzen kann, die Zinsen zu senken, und dass seine Attacken keine Aussicht auf Erfolg besitzen. Dass einer der gewieftesten Machtpolitiker der Gegenwart dergestalt gegen die EZB wettert lässt nichts Gutes für die französischen Staatsfinanzen und die Wirtschaft erahnen. Besitzt Sarkozy Informationen, dass es noch schlechter um die Aussichten bestellt ist als bekannt? Während andernorts von ausgeglichenen Haushalten zumindest geträumt wird, wird die Grande Nation vom Aufschwung nur gestreift. Da verkauft man auch schon mal gerne ein Atomkraftwerk nach Lybien.

Frankreich steht vor tiefen und schmerzhaften Einschnitten, und früher oder später wird die Frage nach den Schuldigen aufkommen. Da kann der amtierende Präsident schlecht den Schwarzen Peter auf seinen Vorgänger und Parteifreund Chirac abwälzen. Die Konservativen sind schon ziemlich lange an der Regierung. Um so wichtiger ist die Suche nach einem Ersatz-Schuldigen, den Sarkozy für sich in der EZB gefunden hat.

Die Zeichen in Frankreich stehen aktuell auf unruhigen Zeiten, Massenprotesten, vielleicht Generalstreiks. Schon diese Unsicherheit wird die Aktien der Unternehmen nicht eben beflügeln. Der  CAC 40 hat im aktuellen Jahresvergleich nur um 9,5 % zugelegt, und nichts deutet darauf hin, dass diese Minderperformance in Bälde durch eine Outperformance getilgt wird. Es wird genau zu beobachten sein, ob Sarkozy Reformen durchsetzen kann und ob die Unternehmen sich in dem Maße fit machen für den globalen Wettbewerb, wie es zum Beispiel in Deutschland geschehen ist. Erst wenn hier Fortschritte oder Durchbrüche zu sehen sind, bieten sich französische Effekten wieder als Investment an.

Stefan Preuß

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