Darüber hinaus hat sich die Anzahl von Aktienfondsbesitzern auf fast 8 Mio. erhöht. Mittlerweile gibt es in Deutschland mehr Aktienfondsbesitzer als freie Aktionäre – die Zahl der Aktionäre liegt nach einer Erhebung von Infratest im Auftrag des Deutschen Aktieninstitutes bei etwas über 6 Mio. Insgesamt haben in Deutschland mehr als 11 Mio. Bürger ihr Geld direkt oder indirekt in Aktien angelegt. An und für sich ist dies ein gutes Zeichen für die zunehmende Aktienkultur und den Wandel der privaten Altersvorsorge sowie den Trend weg vom Sparbuch und hin zur ertragreicheren Aktienanlage.

Etwas bedenklich stimmt allerdings, daß die Fondsgesellschaften ihr Neugeschäft bewußt steuern und Kundengelder über aufwendige Marketingkampagnen in neue, vermeintlich innovative Produkte lenken: Waren es vor zwei Jahren in erster Linie noch europaweit anlegende Aktienfonds, die in den Absatzstatistiken führten, so ist bereits im letzten Jahr ein Trend hin zu Branchen- und Themenfonds eingetreten. Im letzten Jahr gehörten neben breit diversifizierten europäischen und weltweit anlegenden Produkten spezialisierte Pharma- und Telekomfonds zu den Absatzrennern. In diesem Jahr verzeichnen Technologie-, Internet- und Biotechfonds neben den klassischen Regionenfonds die höchsten Mittelzuflüsse. Die neuesten Trendfonds setzen auf spezielle Marktbereiche wie asiatische Internetaktien, B2B, Life & Leisure oder Logistikunternehmen. Die hoch spezialisierten Nischenprodukte weisen zwar häufig im Augenblick die höchste Wertentwicklung auf, sind aber bekanntermaßen nicht ohne Risiko: Ein reiner Biotech-Fonds kann zwar seinen Wert innerhalb eines Jahres verdoppeln, der Fondspreis kann sich andererseits aber auch leicht halbieren. Angesichts der zum Teil schon wieder utopisch hohen Bewertungen in diesem Marktsegment wäre dies kein Wunder. Es ist daher fraglich, ob Lieschen Müller oder Otto Normalverbraucher immer ganz genau weiß, auf welches Risiko sie sich bei ihrer Altersvorsorge einlassen.

Dazu kommt, daß die Fondsgesellschaften häufig auf einen Markttrend erst aufspringen, statt ihn zu antizipieren. So ist vielen Fondsanbietern deutscher Provenienz erst im letzten Jahr aufgefallen, welches immense Potential im Biotech-Sektor schlummert. Schweizerische und andere ausländische Gesellschaften bieten schon seit Jahren entsprechende Produkte an, die bisher eine zum Teil hervorragende Performance ablieferten. Während die DWS und die Union Investment bei den Branchenfonds noch ein gewisses Innovationspotential aufweisen, gehören der DIT und die Deka in der Regel eher zu den Nachzüglern. So hat die Deka z.B. erst in diesem Jahr Technologie- und Internetfonds aufgelegt, die aktuell jedoch nahe ihres Emissionspreises notieren. Kein Wunder, denn der große Boom der beiden Sektoren ist bereits vorbei! Jetzt haben die Sparkassenfondsmanager einen Biotechfonds aufgelegt, der demnächst öffentlich vertrieben wird. Endlich! Oder gerade noch rechtzeitig, um vom derzeitigen Biotech-Hype zu profitieren und weitere Milliardensummen bei den Anlegern einzusammeln? Die Gefahr ist groß, daß bei diesem neuen Produkt die Performance ähnlich mager ausfällt wie bei den übrigen Branchenfonds der Deka-Gruppe, die im Mitbewerbervergleich tendenziell eher auf den hinteren Rängen zu finden sind.

Spitze sind die Dekanesen dagegen bei den Fondsvolumina: Mit einem Mittelaufkommen von fast 12 Mrd. Euro im ersten halben Jahr ist man stolz darauf, Marktführer im Neugeschäft zu sein. Kein Wunder bei dem riesigen Vertriebsnetz von nahezu 600 Sparkassen! Bislang haben sich die Sparkassenkunden auch noch nicht in größerem Ausmaß an der mageren Wertentwicklung ihrer Fonds gestört. Wahrscheinlich freut sich Lieschen Müller, daß ihr Berater überhaupt so „innovative“ Produkte auf Lager hat, statt ihr wie früher Sparbriefe oder Sparkassenschuldverschreibungen anzudrehen. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis die Anleger von selbst darauf kommen, daß nicht unbedingt der trendigste Fonds der beste ist. Meistens zeigen gerade die konservativ gemanagten Regionenfonds auf lange Sicht die beste Wertentwicklung und eignen sich als Basisinvestment für die Altersvorsorge. Branchenfonds und „Exoten“ sollten dagegen als Depotbeimischung den etwas erfahreneren Anlegern vorbehalten sein. Die großen Fondsgesellschaften und deren Vertriebspartner täten gut daran, den Vertrieb dieser Produkte im Interesse ihrer Kunden etwas defensiver anzugehen. Und den „alten Hasen“ unter den Privatanlegern sei der gute Rat gegeben, sich auf ihre eigene Nase und ihr Gespür zu verlassen. Eigenes Stock Picking verspricht häufig mehr Erfolg als ein Fonds von der Stange. Und die besten Schnäppchen macht auch beim Sommerschlußverkauf erfahrungsgemäß der vorausschauende Käufer, der vor der Meute an den Wühltisch kommt!

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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