Die Idee liegt nahe, und sie besitzt einen mathematisch unwiderlegbaren Charme. Wenn die Lebensarbeitszeit verlängert und die verbleibende Rentenzeit damit verkürzt wird, ergibt sich bei gleich bleibender Leistungshöhe eine Entlastung für die Rentenkasse. Die real existierenden demografischen Gegebenheiten in der Bundesrepublik lassen nur einen Schluß zu: Die Erhöhungen werden kommen. Einzige Frage: Welche Regierung erhöht wann um wie viele Jahre?

Der Erfolg einschlägiger Maßnahmen wird indes abseits der Versicherungs-Mathematik entschieden. Schon heute liegt das tatsächliche Renteneintrittsalter je nach Statistik bei 60 Jahren und einigen Monaten. Ein Renteneintrittsalter von 68 oder wie verschiedentlich gefordert, 70 Jahren, verlangt erhebliches Umdenken bei den Unternehmen. In den 90er Jahren wurden ganze Betriebe mit Hilfe der Altersteilzeit und anderer Modelle auf Kosten der Allgemeinheit geradezu brutal verjüngt.

Aktuell deutet wenig darauf hin, daß der große Umdenkungsprozeß bereits eingesetzt hat. Solange allein die Tatsache, daß BMW bei der Rekrutierung des Personals für eine neue Fabrik auch ältere Arbeitnehmer berücksichtigt hat, Zeitungen und Magazinen zu seitenlanger Berichterstattung veranlaßt, umweht solches Verhalten doch noch der Atem des Besonderen. Sinn macht die Erhöhung des Eintrittsalters aber natürlich nur, wenn die „Alten“ auch beschäftigt werden.

Die Anpassung des Renteneintrittsalters an sich trifft bei den Betroffenen wahrscheinlich auf weniger Widerspruch als andere Maßnahmen, etwa Leistungsabsenkungen oder Beitragserhöhungen. Sie ist  eher etwas Abstraktes, und viele, die mit ihrem Job zufrieden sind, scheiden nachgewiesenermaßen oftmals nur ungern aus Amt und Würden.

Ob die Rente ab 67 oder 70 die dringend benötigte, deutliche  Absenkung der Lohnnebenkosten tatsächlich bewirkt, steht auch noch aus einem anderen Grund dahin: Ein gewisser Zusammenhang von Arbeit und Krankheit ist nicht zu leugnen, und damit sind nicht nur Akkordarbeiter in der Asbestfabrik gemeint. Die Auswirkungen auf die Kosten im Gesundheitswesen sind nur schwer vorherzusagen, tendenziell dürften sie aber eher steigen. Daher wird die spätere Rente kein Befreiungsschlag werden, sondern lediglich eine von vielen Maßnahmen zur Zukunftssicherung.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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