Man einigte sich schließlich auf ein Telefoninterview. Zu berichten gab es im Prinzip ja nicht mehr viel Neues. Die Quartalszahlen haben bereits am Montag offenbart, wie es um die Online-Einkaufsgemeinschaft steht: Bei einem Quartalsumsatz von 9,3 Mio. Euro fiel ein Verlust von 25,8 Mio. Euro an. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres hat sich somit ein Nettoverlust von 93 Mio. Euro aufgebaut. Der Emissionserlös von 67,2 Mio. Euro dürfte daher trotz etwaiger Abschreibungen und Rückstellungen bereits aufgezehrt sein. Der Cash von derzeit noch knapp 51 Mio. Euro reicht bei einem monatlichen Kapitalbedarf von 7,2 Mio. Euro gerade noch bis April. Bis dahin muß ein strategischer Investor gefunden werden, sonst gehen die Lichter des Online-Händlers bald aus.

Um das Unternehmen bis zum geplanten Break Even im 4. Quartal 2002 über Wasser zu halten, soll das Kapital daher um 80 Mio. Euro erhöht werden. Damit wäre das Überleben um 11 weitere Monate, also bis März 2002, gesichert. Es ist daher gewiß keine leichte Aufgabe für Coles und seine Kollegen, jetzt auf Roadshow zu gehen und sich von Analysten, Journalisten und potentiellen Investoren unter die Lupe nehmen zu lassen. Einige Argumente sprechen dabei durchaus für das Unternehmen aus Schweden: Das Geschäftsmodell scheint bei Kunden anzukommen, die Umsätze legen kontinuierlich zu und die Bekanntheit ist bereits hoch. Immerhin liegt die Zahl der Nutzer der Einkaufsgemeinschaft bei über einer Million. Leider verschlingen die Marketing-Aufwendungen trotz massiver Einsparungen immer noch 9 Mio. Euro pro Quartal und zehren das Bruttoergebnis von zuletzt 913.000 Euro auf.

Bei einer Milliarde Mitglieder, wie zunächst versehentlich per Ad hoc-Mitteilung verbreitet, wäre das Unternehmen (wahrscheinlich) schon längst in der Gewinnzone. Vermutlich war hier der Wunsch Vater des Gedankens und der Freudsche Versprecher ein Vorgeschmack dessen, was sich die Co-Shopper für die nächsten Jahre zum Ziel gesetzt haben. So ließ CEO Coles außerdem über ad-hoc verlauten, „den optimalen Nutzen für unsere eine Million Mitglieder generieren“ zu wollen und aus deren durchschnittlichen Ausgaben und Wiederholungskäufen „unglaublich“ wertvolle Erkenntnisse zu beziehen. Da darf man ja gespannt sein, welche „neuen Rekordzahlen hinsichtlich des zukünftigen Wachstums“ LetsBuyIt demnächst vermelden wird! Vielleicht gibt es angesichts der „kosteneffizienten Online- und viralen Vertriebs- und Marketingaktivitäten“ pünktlich zum Weihnachtsfest auch einmal eine (positive) Gewinnüberraschung aus London. Dies würde dem Kurs der Aktie jedenfalls eine nachhaltigere Stütze verleihen als leere Worthülsen einer ansonsten wenig aufschlußreichen Pflichtmitteilung.

Allerdings verfügt die B2C-Plattform durchaus über ein wertvolles Asset: Der Markenname „LetsBuyIt.com“ und die knuddelige Ameise haben sich spätestens seit dem Börsengang bei vielen potentiellen Kunden eingeprägt. Für das laufende Geschäftsjahr scheint der geplante Umsatz von 50 Mio. Euro nach wie vor realisierbar zu sein; das Weihnachtsgeschäft steht schließlich vor der Tür und sollte für einen deutlich höheren Umsatz sorgen, als in den zurückliegenden Quartalen zu verzeichnen war. Über Kooperationen und strategische Partnerschaften will LetsBuyIt.com in den nächsten Jahren weiter expandieren. Das Unternehmen ist bereits jetzt in 14 europäischen Ländern vertreten. Für einen großen Einzelhändler, der noch über keinen optimierten Vertriebskanal über das Internet verfügt, wäre die Ameisencompany daher sicher ein gefundenes Fressen – wenn da nicht die immer noch hohe Bewertung mit dem 2,5fachen der 2000er Umsätze wäre, was einem Kaufpreis von knapp 125 Mio. Euro entspricht. Selbst eine Minderheitsbeteiligung in der Höhe des Free Float von 20 % würde einen potentiellen Käufer immer noch 25 Mio. Euro kosten. Zu viel, wenn man für das gleiche Geld einen eigenständigen Webauftritt samt Werbekampagne starten kann!

Die weiteren Aussichten für LetsBuyIt.com sind daher nach wie vor ungewiß. Solange Coles und Co noch im Londoner Nebel feststecken und verzweifelt nach einem Investor Ausschau halten, sollten besonnene Anleger die Botschaft des Firmennamens lieber nicht beherzigen und statt dessen besser die Finger von der Aktie lassen.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

Autor/Autorin