Die Unterdeckung der Unternehmens-Pensionskassen dürfte sich mit dem jüngsten Börsenaufschwung etwas gelindert haben, dennoch bleibt – davon dürfen wir ausgehen – sowohl bei europäischen als auch amerikanischen Unternehmen eine Unterdeckung von rund 25 %. Störfeuer kommt aus einer Richtung, die man auf den ersten Blick nicht als gefährlich erkannt hätte: den niedrigen Zinsen. Die Pensionsverpflichtungen der Zukunft werden mit dem gültigen Zinssatz, gemessen etwa an den Staatsanleihen, abdiskontiert. Tiefere Zinsen bringen also rechnerisch und faktisch niedrigere Ertragsaussichten mit sich. Folglich wäre Entlastung nur von weiter deutlich steigenden Aktienmärkten zu erwarten.

Doch Halt! In den Vereinigten Staaten will man sich darauf allein besser nicht verlassen. Deshalb geht man den Weg, der schon einen Teil des Booms der 90er Jahre geebnet hatte: Die Bilanzierungsvorschriften werden der Realität, oder dem, was dafür gehalten wird, angepaßt. Einer Regierungsinitiative zufolge – natürlich – sollen die Unternehmen ihren kalkulatorischen Zins (siehe oben) mal eben um bis zu 1,5 % anhieven dürfen, was also im völligen Gegensatz zum gegenwärtig historisch niedrigen Niedrigzinsniveau steht. So einfach geht das also.

Als Hintergrund muß zum Verständnis hinzugefügt werden, daß die Unternehmen ohnehin die erwarteten zukünftigen Renditen zur Berechnung bei der Bilanzierung hernehmen dürfen. Daß Renditen von 8 % oder 10 % p.a. bereits durch die Realität abgelöst worden sind, spielt da wohl keine Rolle. So lassen sich die Löcher klein- oder gleich ganz wegrechnen. Eine Anhebung des kalkulatorischen Zinses nur um einen halben Prozentpunkt könnte die äußerst schieflastige Pensionskasse von General Motors um 3,5 Mrd. US-$ entlasten. Zum Jahreswechsel summierte sich die Unterdeckung auf ca. 20 Mrd. US-$. Zieht man die gesamte Unterdeckung der US-Pensionskassen heran, so könnte dieser simple Taschenspielertrick den Unternehmen (bei einer avisierten Anhebung um 1,5 Prozentpunkte) mehr als 150 Mrd. US-$ aus dem Nichts kreieren. Auf regulärem Wege müßte nämlich andernfalls Liquidität aus dem operativen Cash Flow abgezogen werden. Da sich die Gewinne der Unternehmen jedoch ohnehin nicht besonders positiv darstellen, und zwar weder kurz- noch mittelfristig, wäre das der Bewertungskiller schlechthin. Oder einer von mehreren zumindest. In Bezug auf innovative Finanzkonstrukte spielen die USA also einmal mehr den Vorreiter, oder anders ausgedrückt: Welches sind eigentlich die Lehren, die man aus den 90ern gezogen hat (Enron, WorldCom)?

Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

 

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