Merril Lynch, Citigroup, UBS, Goldman Sachs – also ziemlich namhafte Institute entdeckten in der vergangenen Woche so richtig ihre Liebe zum deutschen Automobil. Aufstufungen und Kaufempfehlungen für BMW und Daimler prasselten geradezu auf die Anleger ein. Überhaupt sei der Automotive-Sektor attraktiv, stellte zum Beispiel Goldman Sachs fest. Klar: Kaufen, wenn die Auspuff-Endrohre besonders heiser röcheln, lautet das Motto. Aber irgendwie ist diese große Einigkeit doch ziemlich auffallend, um das Wort verdächtig zu vermeiden.

Die aktuellen Absatzzahlen für Mai in den USA sehen nicht wirklich charmant aus. Mercedes, BMW, Porsche haben zwar etwas weniger herbe Einbußen zu verkraften als der Rest der Welt, aber minus 30 gegenüber minus 40 % stellt dann ja doch ein eher schwaches Kaufargument dar. Für Anteilsgewinne in einem schrumpfenden Markt können sich Aktionäre herzlich wenig kaufen. Alle Automobilbauer stehen vor zwei Kernproblemen: Immense Investitionen in neue Antriebstechnologien drücken auf die Liquidität und später die Marge, denn die Rabattgeister, die nun auch bei den Premium-Herstellern aus der Flasche gelassen worden sind, werden sich kaum wieder einfangen lassen. Das weiß jeder Vertriebler.

Erst gab es keine Rabatte und Finanzierungen nur zu hohen Zinsen, es folgten die ersten Finanzierungs- und vor allem Leasing-Schnäppchen, und jetzt gibt es satte Rabatte inklusive 0,99%-Finanzierungen und Leasing-Angebote, die schon bei Abschluss Rückstellungen bedingen. Die Preislisten von Daimler, Audi oder BMW werden nur noch als ungefähre Verhandlungsbasis wahrgenommen, und der einzige, der sich über die Mondpreise freut, ist der Finanzminister, weil der Anteil der privaten Nutzung der zumeist gewerblich genutzten E-Klassen oder 5er nicht am tatsächlichen, sondern am Listenpreis berechnet wird.

Auf der anderen Seite erfreuen sich die Premiumfahrzeuge der hiesigen Hersteller teilweise kultiger Beliebtheit. Mit rationalen Überlegungen ist nicht zu erklären, dass zum Beispiel in der Schweiz, einem Land mit überdies vorbildlichem öffentlichen Personenverkehr, so viele PS-Monster unterwegs sind, die den Fahrer der örtlichen Gesetzgebung eingedenk schon im 3. Gang arm und auf Jahre führerscheinlos machen können. Und auch in den USA ist auf dem Highway in der Regel ja nicht die Hölle los. Ist es die Überlegung, dass nur die Premiumhersteller und die Kosten-Champions aus Indien und China gestärkt aus der aktuellen Krise hervorgehen und auf Sicht überleben werden? Aber wird die Krise vorübergehen – oder ist das Zeitalter der individuellen Mobilität mit Verbrennungsmotor im Spannungsfeld zwischen Peak Oil und CO2-Debatte Vergangenheit?

BMW, Daimler und Porsche haben sich von ihren kürzlichen Tiefstständen bereits je um ca. 50% erholt. Kaufempfehlungen im März, als der Auspuff der Branche wahrlich heiser röchelte, das wäre ´ne Meldung gewesen. Aber Ende Mai nach der (hier passt das Wort) Rallye, die sehr, sehr viel heile PS-Welt vorweggenommen hat? Größte Vorsicht ist angesagt, denn sonst droht ein krasses Ausbremsmanöver.

Stefan Preuß

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Stefan Preuß ist Mitglied der GoingPublic Redaktion.