In den letzten Jahren hat in Deutschland eine Finanzierungsoption an Bedeutung gewonnen, die man als strukturierte Kapitalzuführung bei Publikumsgesellschaften durch einen kleinen Kreis von privaten Investoren bezeichnen kann. Im Fachterminus werden diese Transaktionen unter dem Kürzel „PIPE“ zusammengefasst, das für Private Investment in Public Equity steht. PIPEs finden ihren Ursprung in den USA zu Beginn der 90er Jahre bei vornehmlich kleineren Publikumsgesellschaften aus finanzierungsintensiven Bereichen wie der Biotechnologie. In Deutschland traten die ersten PIPE-Transaktionen rund zehn Jahre später (2003/2004) zumeist in Sanierungs- und Restrukturierungsfällen auf. Im Einzelnen bedeutet PIPE folgendes: Private steht für eine private Transaktion zwischen einem oder wenigen Investor(en) auf der einen und dem Emittenten auf der anderen Seite. Als Investoren treten spezialisierte Eigenkapitalgeber wie Hedge Fonds oder vermögende Privatinvestoren in Erscheinung, die mit der Gesellschaft, ähnlich wie bei einer VC-Finanzierungsrunde, einen Investmentvertrag abschließen. Das Investment ist üblicherweise ein direktes Engagement, d.h. die Mittel der PIPE-Finanzierungsrunde fließen dem Emittenten zu. Das Public steht für börsennotierte Gesellschaften, wonach die PIPE-Transaktionen den gesetzlichen Reglements für Publikumsgesellschaften unterliegen. Damit sind die bspw. für Pre-IPO-Investments üblichen Beteiligungsklauseln wie Drag-, Tag-along oder Liquidationspräferenzen in PIPEs nicht anwendbar. Equity grenzt die PIPE-Transaktion von der traditionellen Fremdfinanzierung ab: Neben der klassischen Ausgabe von Aktien (Stämme, Vorzüge) finden sich auch hybride Instrumente wie Wandel- oder Optionsanleihen in der Praxis wieder, die dem Investor einen gewissen Investitionsschutz einräumen.

Aus den genannten Definitionskriterien lassen sich in der Praxis unterschiedlichste Strukturen für PIPEs darstellen: Die einfachste Form ist die bis zu 10%ige Kapitalerhöhung, wonach die Ausgabe neuer Aktien ohne Bezugsrechtsangebot innerhalb des Genehmigten Kapitals an die neuen PIPE-Investoren erfolgen kann. Auf einen gebilligten Prospekt kann zudem verzichtet werden, was die Transaktion schnell und kostengünstig macht. Eine darüber hinausgehende Barkapitalerhöhung ist aus anfechtungsrechtlichen Gründen nur mit einem Bezugsrechtsangebot zu empfehlen. In diesen Fällen wird mit dem PIPE-Investor ein Arrangement getroffen, wonach dieser am Ende der Bezugsfrist die nicht ausgeübten Bezugsrechte übernimmt. Damit dieses notwendige Bezugsrechtsangebot kein öffentliches Angebot i. S. d. WpPG darstellt und somit auf eine Prospekterstellung verzichtet werden kann, wird ein Handel der Bezugsrechte während der zweiwöchigen Bezugsfrist ausgeschlossen. Für die Börsenzulassung der neuen Aktien im regulierten Markt ist dennoch ein Prospekt zu erstellen, sofern der zuletzt veröffentlichte Prospekt seine Gültigkeit von zwölf Monaten überschritten hat. In diesem Fall kann der Emittent, wie im Fall Schmack Biogas, auf eine Zulassung der neuen Aktien zunächst verzichten und es zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Zudem hat der PIPE-Investor die Beteiligungsschwelle von 30% zu beachten, um kein Pflichtangebot gemäß WpÜG auszulösen. Nur in Sanierungsfällen kann die BaFin von einer Angebotsveröffentlichung absehen (z. B. Conergy).

PIPEs eröffnen dem Emittenten im schwierigen Kapitalmarktumfeld die Möglichkeit, innerhalb von wenigen Wochen und ohne umfangreiche Dokumentationen notwendige Eigenkapitalrefinanzierungen durchzuführen. Sie sind in der Praxis erprobte und akzeptierte Transaktionen, die auch im jetzigen Börsenumfeld funktionieren.

Von Prof. Dr. Wolfgang Blättchen

Diese Kolumne erschien ursprünglich im GoingPublic Magazin 04/2009

 

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