Auf seine Prognosen aus dem Jahre `99 von Dow 36k in diesem Jahrzehnt wurde der gute Glassman inzwischen schon so oft angesprochen, daß ihm die Zahlen nur so um die Ohren fliegen. Wie er derweil einräumte, sollte das weniger eine Punktlandung sein als vielmehr eine Aussage dahingehend, wie Aktien bewertet sein sollten, langfristig, mehr oder weniger.

Man stelle sich nur vor: Wenn US-Aktien im Jahr `99 schon unbewertet waren, wie unterbewertet sind sie dann erst jetzt? Auf der Website von Ed Yardeni kann man geschätzte Unternehmensgewinne und Zinsen eingeben. Die Antwort: Der US-Markt sollte derzeit 40 bis 50 % unterbewertet sein, zumindest nach Yardeni und der Weltformel des Fed-Modells. Demnach sind Aktien nun so günstig wie seit 1979 nicht mehr. Eigentlich seit Menschengedenken, nur reicht die Berechnungsskala nicht weiter zurück oder es lebt niemand mehr, der es bestätigen könnte oder will.

Zahlreiche Aktien-Cheerleader berufen sich – um die vermeintliche Unterbewertung zu manifestieren – auf das Fed-Modell. Im übrigen auch der zukünftige Ex-Meister seiner Gnaden selbst, Alan Greenspan. Das Fed-Modell vergleicht das Aktienmarkt-KGV mit der Rendite 10jähriger Staatsanleihen.

Dummerweise wurde das Fed-Modell für den Bullenmarkt erfunden, und es funktioniert auch nur für den Bullenmarkt. Sind die Zinsen niedriger, sollen Aktien angeblich mehr wert sein. Erzählen Sie das mal den Japanern. Notiz am Rande: Der Nikkei erreichte heute morgen bei 8.500 Punkten ein neues 19Jahrestief.

Obendrein fließen in das „Modell“ Gewinnschätzungen ein. Und zwar von denselben Leuten, die die Supra-Bubble künstlich inflationierter Unternehmensgewinne mitzuverantworten haben und anschließend den Absturz / die Rezession nicht im geringsten haben kommen sehen. Dieselben Leute geben immer noch ihre viel zu optimistischen Phantasiezahlen ab. Wie kann also irgend jemand Bewertungsmodellen Glauben schenken, wenn Spezialisten wie Blodget und Co. weiterhin am Werke sind?

Wenn die Zinsen niedrig sind – was Aktien nun angeblich attraktiver erscheinen lassen sollte – gibt es dafür handfeste und wenig erfreuliche Gründe: Die Konjunktur lahmt, die Notenbank muß die Zinsen purzeln lassen oder auch die Nachfrage nach Anleihen ist groß, so daß die Renditen sinken. In keinem Fall aber, und aktuell kommt gleich alles zusammen, ist das nun vorteilhaft für Aktien.

Nicht überall, wo Modell draufsteht, steckt auch ein funktionierendes Modell drin. Und fragen Sie immer nach, wer Ihnen die Unterbewertung verkaufen möchte. In der Regel sind es die immergleichen Gebrauchtaktienhändler, die ranzige Stücke an unbedarfte Kundschaft loswerden wollen oder müssen.

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Die GoingPublic Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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