Erforderlich wurde der Verkauf, da der e-Trade-Konkurrent ConSors im Begriff steht, die Mehrheit an der Berliner Effektengesellschaft zu übernehmen. Im Zuge dieser freundlichen Übernahme war auf einmal ein Partner zu viel im Boot. Der Vorstandsvorsitzende der Berliner Effektengesellschaft, Holger Timm, bestätigte gegenüber GoingPublic, „Die Minderheitsbeteiligung an e-Trade Germany hätte für uns keinen strategischen Sinn mehr gemacht“. Das Ziel des Joint Ventures, an dem die Berliner Effektenbank einen Anteil von 35 % hielt, sei es gewesen, dem amerikanischen Discountbroker den Markteintritt in Deutschland zu eröffnen. Dieses Ziel habe man im wesentlichen erreicht – die Erteilung der Banklizenz für e-Trade Germany stehe unmittelbar bevor. Man habe die Beteiligung nun mit einem ordentlichen Aufpreis veräußert. „Das Engagement war für uns sehr profitabel“, führte Timm weiter aus. Dagegen habe es jedoch e-Trade offenbar versäumt, sich durch entsprechende Verträge gegen den Einstieg eines Mitbewerbers bei der Berliner Effektengesellschaft abzusichern.

Damit erging es e-Trade wie einer verschmähten Geliebten: Der Bräutigam entschied sich kurz vor dem Gang zum Traualtar noch für eine andere Braut, die eine reichhaltigere Mitgift mitbrachte. Schließlich ist ConSors nicht nur einer der beiden Marktführer im Discount-Brokerage in Deutschland, sondern gleichzeitig auch noch einer der größten Kunden der BEG-Tochter Berliner Freiverkehr, dem führenden Makler an der Berliner Effektenbörse. Durch die Übernahme eröffnet sich ConSors die Möglichkeit, eine private Handelsplattform als Alternative zur Deutschen Börse aufzubauen, über die Kundenaufträge in Zukunft günstiger abgewickelt werden können. Umgekehrt sichert sich die Berliner Effektengesellschaft auf Dauer ihre marktbeherrschende Stellung im Freiverkehrshandel. Offenbar haben den Mehrheitsaktionär und Vorstandsvorsitzenden der Berliner Effektengesellschaft diese Aussichten damals bewogen, trotz des Joint Ventures mit e-Trade der Übernahme durch ConSors zuzustimmen, auf die Gefahr hin, den zweitgrößten US-Discountbroker zu vergrätzen.

Holger Timm schrieb daher bereits am 30. Mai in einem offenen Brief an seine Aktionäre: „Wenn ConSors gleichlautende Verträge mit einer anderen Maklergesellschaft bzw. in einer anderen Konstellation eine Allianz abgeschlossen hätte, wäre für unsere Aktionäre ganz sicher Selters statt Sekt angebracht gewesen.“

In der Pressestelle bei ConSors reagiert man unterdes gelassen: Man habe zwar als zukünftiger Hauptaktionär der Berliner Effektengesellschaft Gesprächen mit den Amerikanern beigewohnt, diese hätten sich jedoch für einen eigenständigen Marktauftritt in Deutschland entschieden. Eine aktive Rolle habe ConSors jedoch nicht übernommen, man wolle auch den Markteintritt eines Mitbewerbers nicht unnötig blockieren. Kein Wunder, ist es doch ein offenes Geheimnis, daß der Erfolg von e-Trade Germany auf dem deutschen Markt unsicherer ist denn je. Hartmut Bergmann, der Vorstandsvorsitzende der New York Broker Deutschland AG, die ihren fünfprozentigen Anteil ebenfalls an die US-Mutter e-Trade veräußern wird, äußerte seine Ansicht zum deutschen Discountbrokermarkt gegenüber GoingPublic kurz und bündig: „Der Kuchen ist längst verteilt“. Seiner Ansicht nach wird sich e-Trade schwer tun, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Auch die BHF-Bank ging in einer jüngst erschienen Studie über deutsche Online-Broker davon aus, daß sich der Markteintritt der Amerikaner durch den ConSors-Coup verzögern würde.

Diese Einschätzung wird auch von anderen Marktbeobachtern geteilt. Die sogenannten „Heavy Trader“ sind bei ConSors, comdirect und Co. bereits bestens versorgt, das Massengeschäft wird von Deutscher Bank 24 und Direkt Anlage Bank bestens abgedeckt und neue lokale Mitbewerber wie die Sparkassengruppe stehen ebenfalls in den Startlöchern. Kleinere Mitbewerber wie Fimatex und Entrium tun sich schon jetzt schwer, eine kritische Größe zu erreichen. Welche Aussichten hat da ein weiterer ausländischer Mitbewerber? e-Trade hätte wahrscheinlich gut daran getan, die Chance wahrzunehmen und als Junior-Partner im Boot zu bleiben, anstatt sich wieder freizukaufen. Auf außereuropäischer Ebene sind die Amerikaner zwar wesentlich besser aufgestellt als ConSors. In Deutschland ist der Zug wahrscheinlich jedoch schon abgefahren. Daran wird auch eine großangelegte Vermarktungsoffensive wahrscheinlich nichts ändern.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

Autor/Autorin