Diese bösen, bösen Leerverkäufer. Wetten diese Geier doch tatsächlich auf fallende Kurse bei Banken und Versicherungen. Das ist wirklich nicht höflich. Schließlich haben die Finanzdienstleister derzeit genug mit sich selbst zu tun. Massive Short-Attacken könnten den Bestand der Unternehmen gefährden, heißt es aus New York, London und Berlin. Nun ja, in erster Linie scheint es doch so zu sein, dass die Unternehmen sich selber am allermeisten in ihrem Bestand gefährden.

Short Selling ist ein Markt-Regulativ, das Fantasiebewertungen minimiert. Zu den Hochzeiten des Neuen Marktes wäre es mitunter sehr hilfreich gewesen, wenn es damals schon Leerverkäufe für die breite Masse gegeben hätte. Nicht zufällig haben jene Aktien, die damals auch in den USA gelistet waren, unterdurchschnittliche Kurs-Performance gezeigt. Und bei Licht betrachtet: Selbst nach 80 % Kursverfall waren jene Institute, die nun bankrott sind, ja noch grandios überbewertet. Denn der Wert war da ja schon Null. Außerdem: Leer zu verkaufen heißt, über kurz oder lang tatsächlich kaufen zu müssen, was sich schon oft als ausgesprochen kursstützend erwiesen hat.

Ausgerechnet jetzt Leerverkäufe zu verbieten zeigt vor allem eines: die totale Überforderung der Aufsichtsbehörden. Wer die Geschehnisse nur flüchtig verfolgt könnte den Eindruck gewinnen, die Shortys seien Auslöser der Finanzturbulenzen. Letztlich kann der Versuch nicht anders bewertet werden, als einen Schuldigen zu benennen und von eigenen Versäumnissen abzulenken. Und wie ist diese Liste des BaFin eigentlich zu verstehen: Sind das die elf Finanztitel in der Bundesrepublik, die am meisten in Ihrem Fortbestehen gefährdet sind?

Buy the rumour, sell the fact – dieser Rat zählt zu den ältesten Börsenweisheiten. Seitdem am Markt der Märkte gehandelt wird, gehören jene, die hinter vorgehaltenem Fächer tuscheln, aus gut informierten Kreisen zu wissen vorgeben oder unbestätigten Meldungen zufolge über gute Kontakte gehört haben wollen gewissermaßen zum Inventar auf und neben dem Parkett. So gesehen ist es nichts Neues, wenn Gerüchtsvollzieher immer wieder mal die Wahrheit professionell pfänden. Wenn bewusst falsche Gerüchte gestreut werden, ist das ungesetzlich und muss verfolgt werden. Und zwar von Staatsanwälten. Deswegen aber Leerverkäufe zu verbieten, um Finanzaktien zu schützen – welch putziger Einfall.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne ist ein Service des GoingPublic Magazins, Deutschlands großem Kapitalmarktmagazin. Bezogen werden kann das Magazin unter www.goingpublic.de. GoingPublic ist allein für die Inhalte der Kolumne verantwortlich. Informationen zu einzelnen Unternehmen stellen keine Aufforderung zum Kauf bzw. Verkauf von Aktien dar. Die Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

Autor/Autorin