VoiceStream, mit 8.200 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz 1999 von 476 Mio. US-$ einer der schnellst wachsenden US-Mobilfunkunternehmen, verfügt über 2,3 Mio. Kunden in den USA. Für diese ist der T-Chef bereit, 50,7 Mrd. US-$ zuzüglich 5 Mrd. US-$ an Verbindlichkeiten zu bezahlen. Pro Kopf wird jeder VoiceStream-Kunde mit knapp 22.000 US-$ bewertet. Dies ist der höchste Preis, der jemals im Mobilfunksektor gezahlt worden ist. Für die britische  Orange mußte die France Telecom vor wenigen Wochen nur etwa die Hälfte berappen. Die amerikanischen „Neu-Kunden“ der Deutschen Telekom müssen sehr lange telephonieren, um diesen Kaufpreis auch nur annähernd rechtfertigen zu können.

Einmal mehr sieht es so aus, als hätte Ron Sommer einen Verlegenheitsdeal abschließen müssen, um Erfolge vorzuweisen. Die Aussagen zu der beschlossenen Transaktion jedenfalls waren sehr schwammig und beliebig austauschbar gegen seine Stellungnahmen zu vorhergehenden Übernahmenkandidaten. Das Argument, kein einziger Mobilfunkanbieter sei derzeit zu einem Schnäppchenpreis zu haben, überzeugte wenig. Vor allem verpaßte Gelegenheiten in der Vergangenheit und die jetzt beschlossene Übernahme eines möglicherweise nicht erstklassigen US-Partners stoßen etwas bitter auf.

Zuletzt machte die Telekom vor allem durch nicht erfolgte Übernahmen von sich reden. Die Kandidaten erster Wahl, namentlich Global Crossing oder auch die britische Cable & Wireless, gingen dem Rosa Riesen durch die Lappen oder sind inzwischen unbezahlbar geworden. Auch Unternehmen wie Qwest oder Sprint wurden aus diversen Gründen wieder aus dem Blickfeld gestrichen. Vor allem letzteres hätte aufgrund seiner größeren Kundenzahl und des landesweiten Glasfasernetzes in den USA bedeutend besser zur Telekom gepaßt. Der von Sprint benutzte zukunftsträchtige UMTS-Standard wäre ein weiterer Vorteil gewesen – aber es sollte nicht sein: Die Telekom sah technische Probleme hinsichtlich der Vereinbarkeit von GSM- und UMTS-Technologie und einer Zustimmung der US-Regulierungsbehörde FCC.

So kommt schon jetzt die Vermutung auf, daß die Telekom trotz des hohen Kaufpreises von 200 US-$ pro Aktie – VoiceStream-Aktionäre werden nach dem Deal fast 22 % der Telekom besitzen – nachbessern muß. Ziemlich sicher erscheint daher, daß Ron Sommer ein zweites US-Unternehmen kaufen muß, das auch über die wichtigen Kabelkapazitäten verfügt, um in den USA „richtig“ Fuß zu fassen. Eine klare strategische Linie jedenfalls ist beileibe immer noch nicht zu erkennen.

Die finanziellen Probleme der Deutschen Telekom werden damit keinesfalls gelöst, im Gegenteil. Bereits im Vorfeld des dritten Börsengangs vor wenigen Monaten wiesen Experten eingehend darauf hin, daß man ohne die Ausgliederungen von T-Mobil, etc. , ein operatives Minus für dieses und auch nächstes Jahr erleiden würde. VoiceStream kann da nicht abhelfen: Die Amerikaner schreiben tiefrote Zahlen und können frühestens 2004 einen positiven Ertrag zur Bilanz der Telekom beisteuern.

Die Reaktion an der Börse sagte eigentlich alles. Sowohl die Telekom- als auch VoiceStream-Papiere verloren massiv. Mit 128 US-$ liegt VoiceStream einiges von der vereinbarten Kaufmarke von 200 US-$ entfernt, was die Skepsis hinsichtlich einer bevorstehenden Übernahme belegt. Das beste, was beiden Aktienkursen passieren kann, wäre wohl, wenn der Deal noch platzt. Vielleicht ergäbe sich dann für Ron Sommer eine weitere, vielleicht letzte Chance, über seine verpaßten Chancen nachzudenken und den Konzern – wie auch immer – strategisch schlüssig auszurichten. Den Aktionären der Telekom, die stattliche 63,50 Euro anläßlich des dritten Börsengangs hinzulegen bereit waren, wär`s zu wünschen.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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