Es gibt unzählige Derivate und ständig kommen neue, exotische Finanzkonstruktionen hinzu. Den Mathematikern der Geldhäuser sind diesbezüglich kaum Grenzen gesetzt. Nur eine Regel müssen sie immer einhalten: Das Konstrukt muß für den zukünftigen Investor attraktiv wirken, und es muß so aussehen, daß ein Gewinn wesentlich einfacher zu erlangen ist, als ein Verlust.

Bestes Beispiel ist eine Aktienanleihe. Angesprochen werden damit in erster Linie diejenigen, die vor einem Direktinvestment in eine Aktie zurückscheuen, mit einem Bundesschatzbrief gleichzeitig aber auch nicht glücklich werden. Allein der Name suggeriert schon den perfekten Zwitter aus hoher Gewinnmöglichkeit und Sicherheit, bei einer unglaublichen Verzinsung. So zum Beispiel die Aktienanleihe von Sal. Oppenheim auf den Neuer Markt-Wert Tomorrow Internet: Stolze 36 % soll der Investor erhalten. Dagegen wirken die 5 % einer deutschen Staatsanleihe lächerlich gering.

Aber die Sache hat einen scheinbar kleinen Haken, der fatale Folgen haben kann. Im Unterschied zur klassischen Anleihe ist der Emittent nämlich nicht unbedingt zur Rückzahlung des Nennwertes verpflichtet. Er kann wählen, ob der Anleihebetrag, in diesem Fall 5.000 Euro, am Ende der Laufzeit zurückgezahlt, oder statt dessen eine bestimmte Aktienanzahl, hier 122 Tomorrow-Anteile, geliefert werden.

Wer sich mit der Tomorrow-Aktienanleihe allerdings im sicheren Hafen wähnte, dem dürfte in letzten Zeit schmerzlich bewußt geworden sein, daß das ein Trugschluß ist. Der Zeitpunkt für die Emission der Aktienanleihe hätte nicht besser sein können. Laufzeitbeginn war der 10. März 2000, das Allzeithoch des Neuen Marktes. Damals stand die Tomorrow-Aktie bei 65,75 Euro und die drohende Rückzahlung in Aktien, sofern der Schlußkurs am 5.1.2001 unter 40,99 Euro notierte, schien in weiter Ferne.

Doch das war damals. Aktuell steht Tomorrow bei 7,60 Euro und daß der Kurs bis Anfang Januar wieder über 40,99 Euro klettert, ist so wahrscheinlich wie zwei Meter Neuschnee an Weihnachten. Für den Investor ist nun ein beträchtlicher Verlust entstanden. Bis zu einem Aktienkurs von 26,23 Euro konnte die Zinszahlung von 1.800 Euro, die in jedem Fall erfolgt, den Kursrutsch kompensieren. Jeder weitere Kursrückgang der Aktie schlägt dann aber voll durch. Würde die Aktienanleihe heute fällig, wäre dem Anleger per saldo ein Verlust von 2.272,80 Euro bzw. 45 % entstanden.

Wer Aktienanleihen kauft, sollte sich deshalb klar darüber sein, in was er investiert. Das Instrument hat wenig mit einer klassischen Anleihe zu tun. Was der Anleger kauft ist ein Konstrukt aus Anleihe und Termingeschäft (entspricht dem Verkauf eines Puts an der Eurex), das im Gewand einer sicheren Anlage daherkommt. Die Gewinnaussichten sind auf den Zins begrenzt. Die Verlustrisiken hingegen weitaus höher (Nominalbetrag + Zins). Hinzukommt, daß der hohe Zins voll versteuert werden muß, die Verluste aber nach Ablauf der Spekulationsfrist nicht mehr verrechnet werden können. Ein lohnenswertes Investment sind Aktienanleihen daher nur bei einem Kurs der unterlegten Aktie, der nach Fälligkeit nahe dem Kurs wie zu Anfang des Investments steht – und das ist am Neuen Markt eine Wahrscheinlichkeit, die gegen Null geht.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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