Mit Schuhen an der Börse reich werden? Nicht erst seit dem „Wolf of Wallstreet“- Kinoerfolg wissen wir, dass das problemlos machbar und gnadenlos gewinnbringend sein kann – wenn man es richtig anstellt. An dem IPO von Steve Madden Mitte der 1990er Jahre und den betrügerischen Machenschaften von Jordan „Wolfi“ Belfords Maklerfirma Stratton Oakmont (Achtung, Spoiler-Alarm) sollte sich Schuh- und Modeversender Zalando allerdings kein Beispiel nehmen. Denn es hängt weit mehr von den offensichtlichen Börsenplänen des bisherigen Vorzeige-Startups aus der Berliner E-Commerce-Schmiede Rocket Internet ab, als vielen alteingesessenen Aktienjongleuren und Parkett-Profis bewusst sein mag.

Die „besten Banken“ aus Übersee sollen, wie durchgesickert ist, für ein reibungsloses Going Public beauftragt worden sein. Und Insider sind sich sicher, dass die jüngsten Börsengänge von Facebook und Twitter die Pläne des E-Commerce-Giganten „cloned in Germany“ begünstigen könnten. Es könnte den Beginn einer neuen Zeitrechnung für den ins Schattendasein verbannten deutschen Primärmarkt markieren.

Die Erwartungen sind hoch, dementsprechend immens die Gerüchtewelle um das Wie und Wann eines Börsengangs des Berliner Jungunternehmen. Informationen bezüglich Zeitpunkt wie auch Insiderwissen über ein Prä-IPO-Ausscheiden der Väter des Online-Giganten, das Samwer-Trio, werden gejagt wie das Goldene Vlies des digitalen Echtzeit-Journalismus. Aber was ist dran am aktuellen „Geschrei vor Glück“?

Auslöser der wilden Spekulationen fernab des Börsenparketts dürfte Rubin Ritters „Brunftschrei“ gegen Ende des vierten Quartals 2013 gewesen sein. Der Geschäftsführer des zuletzt mit rund 3.8 Mrd. EUR bewerteten E-Commerce-Unternehmens ließ offiziell verlauten, dass ein Börsengang „mittelfristig sehr attraktiv“ sein könnte. Mittelfrist, sehr, attraktiv – drei Worte mit der Durchschlagskraft eines zurzeit viel besungenen „Wreckingball“.

Aber bleiben wir bei den Fakten: Wie es zum Aufhübschen vor dem großen öffentlichen Listing gehört, stellte Zalando die Eigengewächse EMEZA und KIOMI, welche hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren, im letzten Jahr ein. Rocket Internet löste seine Beteiligung im August 2013 auf und machte damit Kinnevik zum größten Anteilseigner mit 37%. Daneben hält seit August 2013 Anders Holch Povlsen, Eigentümer einer großen dänischen Modegruppe, 10% am Modeversender. Die Samwer-Brüder sind über ihren European Founders Fund noch mit 18% beteiligt. Inzwischen steht, laut Wirtschaftswoche, sogar der Aufsichtsrat fest: Neben Mia Brunell Livfors, der Noch-CEO von Kinnevik, die Ende Januar jedoch ihren Rücktritt als Geschäftsführerin von Rockets bisher spendabelsten Investor verkündete, bilden ihre Kollegen Mikael Larsson und Lorenzo Grabau die eine Seite des Aufsichtsrates. Auf der anderen Seite werden Alexander Samwer und Martin Weber, Geschäftsführer von Holtzbrinck Ventures (Beteiligung bei 8%), genannt. Komplettiert wird die Runde durch Povlsen.

Welches Fazit lässt sich daraus nun ziehen?

Nun, das Wagnis, sich auf die eine oder andere Seite der Prognostizierer zu schlagen, ist riskant – denn nach wie vor besteht die 50/50-Chance, dass Zalando entweder recht bald oder erst im Herbst 2014 die Börse erstürmt. Die logische Schlussfolgerung der gesammelten Informationen würde einen Börsengang in der zweiten Jahreshälfte nicht ausschließen. Auch die Suche nach geeigneten Banken in Übersee spräche dafür. Goldman Sachs, J.P. Morgan und Morgan Stanley sind laut Sunday Times im Gespräch. Und diese Wallstreet-Banken machen keine halben Sachen, wenn es darum geht, ein Unternehmen wie Zalando an der Börse mit bis zu 5 Mrd. EUR zu dotieren. Aber ist dafür der aktuelle Verlust von 90 Mio. EUR nicht noch zu hoch?

Andererseits: Sind Startups nicht gerade für ihre Wendigkeit, Agilität und das Überraschungspotenzial bekannt? Sind die Zalando-Patriarchen Kinnevik und das Samwer-Trio nicht berüchtigt für ihre Undurchsichtigkeit? Am Ende wäre der Coup perfekt wenn gar nicht Frankfurt, sondern New York als Börsenstandort ausgewählt würde. Alle Hände reibenden deutschen Anleger, die auf den Boom à la Twitter spekuliert hätten, würden schreien – vor Schreck. Aber warum wäre Nasdaq oder die New Yorker Stock Exchange so abwegig für ein Unternehmen aus der Rocket Internet Schmiede, die ja gerne ihre internationale Präsenz vorführt?

So oder so, der Ritt ihrer bestbesohlten Stute im Stall geradewegs auf das Frankfurter oder US-amerikanische Börsen-Parkett birgt bei der aktuellen Verlustrate durchaus das Risiko eines unsanften Ausrutschers – noch in den Startlöchern.

Ein Kommentar von Cynthia Castritius, Online-Redakteurin bei GoingPublic.de

Autor/Autorin