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Der im MDAX notierte Wind- und Solarparkbetreiber meldete jüngst für die ersten neun Monate steigende Stromproduktions- und Ergebniszahlen. Der Aktienkurs erholte sich  leicht vom Jahrestief, doch ob es für eine größere Aufholjagd zu früheren Bewertungen reicht, hängt auch von der allgemeinen Marktlage ab. Ein Gespräch über Geschäftsaussichten, Zinslasten, den jüngsten Beschluss zum Industriestrompreis und möglichen Folgen des zögerlichen Ausbaus der Erneuerbaren für den Süden der Republik.

GoingPublic: Herr Dr. Husmann, bereits bei unserem Gespräch vor gut einem Jahr fuhr die Aktie im Zickzack, obgleich die Aussichten für die Branche prinzipiell gut und das Thema der alternativen, erneuerbaren Energien das Investorenthema schlechthin ist. Jüngst hat der Kurs wieder stark gelitten. Wie erklären Sie sich das?

Dr. Husmann: Was sich im vergangenen Jahr schon zeigte, hat sich in diesem Jahr ganz deutlich konkretisiert. Finanzinvestoren, die in einem Niedrigzinsumfeld auf der Suche nach besseren Renditen in erneuerbare Energien investierten, haben sich mittlerweile zurückgezogen und anderen Assetklassen zugewandt. Der Hauptgrund für den Rückgang der Aktienkurse bei den Erneuerbaren ist also das gegenwärtig hohe Zinsniveau, das erneut Renditechancen auch in anderen Assetklassen bietet.

Wie sieht die Anleihensituation in den nächsten Monaten aus – können hier weitere Seiteneffekte auf den Börsenkurs einspielen?

Dr. Christoph Husmann, Sprecher des Vorstands und CFO der Encavis AG.

Die Masse der Finanzierungen des Konzerns, rund 80%, sind Non-Recourse-Projektfinanzierungen, die alle einem klare definierten Tilgungsplan folgen, der jeweils mit den ebenfalls fixierten Strompreisen, sprich Umsatzsicherung, synchronisiert ist. Alle Finanzierungen haben feste Zinssätze, sodass diese Finanzierungen keinem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt sind. Die restlichen 20% der Finanzierungen auf Konzernebene mit Restlaufzeiten von zehn, 13 und 18 Jahren profitieren noch von niedrigen Zinssätzen. Die jüngeren Finanzierungen mit kürzeren Laufzeiten von drei, fünf und sieben Jahren, die zu aktuellen Zinssätzen aufgenommen wurden, unterliegen ebenso wie die Langläufer keinem Zinsänderungsrisiko, da auch hier nur feste Zinssätze vereinbart sind.

Die jüngsten Quartalszahlen zeigen erneut ein positives Bild, sie übertreffen die Schätzungen der meisten Analysten in Umsatz- und Ergebnisgrößen. Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung? Wo sind Sie unzufrieden?

Die aktuelle Entwicklung nach neun Monaten sehen wir sehr positiv. Im vergangenen Jahr hatten wir kriegsbedingt außergewöhnlich hohe Strompreise, die sich heuer auf einem geringeren Niveau befinden. Zudem war die Sonnen- und Windausbeute 2022 ungewöhnlich hoch, während in diesem Jahr deutlich normalisierte meteorologische Bedingungen für unsere Wind- und Solarparks herrschten. Aber es ist uns gelungen, unsere Erzeugungskapazität durch neue Akquisitionen zu steigern. Das und die erstmalige Konsolidierung von Stern Energy haben in turbulenten Zeiten dazu beigetragen, dass wir unseren Nettoumsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar steigern konnten. Unser operatives Ergebnis pro Aktie nach neun Monaten übertraf den bereits herausragenden Vorjahreswert um 4%.

Alle Finanzierungen haben feste Zinssätze, sodass diese Finanzierungen keinem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt sind.

Die Geschwindigkeit beim Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland ist ein besonders großes Thema. Der Politik geht es zu langsam, Bundesländer wie Bayern, in denen weniger Wind weht als in Norddeutschland, sehen sich zu Unrecht als Bremser hingestellt. Wie sehen Sie die Gemengelage? (Wo) hat der Ausbau an Dynamik gewonnen, wo besteht Nachholbedarf?

Der Investitionsbedarf in Bayern und Baden-Württemberg ist deutlich größer als in den übrigen Bundesländern. Dies liegt unter anderem an den lokalen Vorschriften, die weniger auf den Ausbau als auf die Verhinderung des Ausbaus der erneuerbaren Energien ausgelegt sind. Gleichzeitig hat die bayerische Landesregierung – Bayern ist zu schön für Überlandleitungen – verursacht, dass SuedLink noch nicht gebaut und teilweise noch nicht einmal genehmigt worden ist. Somit kann der preisgünstige Strom aus erneuerbaren Energien aus dem Norden der Republik nicht in den Süden transportiert werden. Folge: Deutschland müsste in mindestens zwei Strompreiszonen zerfallen – mit höheren Strompreisen in Bayern und Baden-Württemberg und geringeren Strompreisen im Rest der Bundesrepublik. Dies würde die richtigen Impulse setzen, trotz der der Vorschriften in Bayern und Baden-Württemberg, dort zu investieren, aber auch das verhindert die lokale Politik unter Missachtung wirtschaftlicher Zusammenhänge.

Wie sieht der viel zitierte optimale Energiemix für Deutschland aus und wie weit sind wir davon noch entfernt?

Wie bereits auch im vergangenen Jahr erläutert, benötigen wir in Europa bis 2030 Erzeugungskapazitäten aus Wind und Solar im Umfang von 600 Gigawatt (GW), so der Plan REPowerEU der Europäischen Union. In den vergangenen zehn Jahren haben wir gerade einmal 200 GW ans Netz gebracht.

Der Investitionsbedarf in Bayern und Baden-Württemberg ist deutlich größer als in den übrigen Bundesländern.

So viel zur mittleren und langen Sicht. Doch nun steht erst einmal der nächste Winter kurz bevor – ist Deutschland besser vorbereitet als im vergangenen Jahr, dem ersten Engpasswinter nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine und dem damit verbundenen Regierungsbeschluss, auf russische Öl- und Gaslieferungen zu verzichten?

Wir hoffen, dass dem so ist; allerdings setzt das einen milden Winter voraus.

Für die Industrie gibt es nach dem jüngsten Beschluss aus Berlin einen günstigeren Industriestrompreis. Zentral bei dem gerade verabschiedeten Gesetz ist die Senkung der Stromsteuer auf nahe null (0,05 Cent statt bisher rund 2 Cent pro Kilowattstunde). Hinzu kommt eine Verlängerung und Ausweitung der bisher geltenden Strompreiskompensation. Ist das eine gute Entscheidung?

Wir begrüßen diese Entscheidung, sie setzt genau an der richtigen Stelle an. Die Senkung der Stromsteuer wird zum einen den besonders energieintensiven Unternehmen und damit der deutschen Wirtschaft insgesamt helfen. Zum anderen setzt sie einen klaren Anreiz, die erneuerbaren Energien – als die günstigste Form der Energieerzeugung – konsequent auszubauen. Die Strompreissenkung sollte aber allen Stromabnehmern zugutekommen.

Die Strompreissenkung sollte aber allen Stromabnehmern zugutekommen.

Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie für die Energiebranche und auch ganz konkret für Encavis?

Der somit bewirkte höhere Bedarf nach Energie wird uns in mehrfacher Weise begünstigen. Dies betrifft sowohl den Ausbau unserer Wind- und Solarparkkapazitäten in Deutschland als auch höhere Strompreise für unsere langfristigen Stromabnahmeverträge mit Industriekunden.

Nun kann und sollte man einen Markt nicht zu lange subventionieren – davor warnen nicht nur Ökonomen, weil das zu Fehlallokationen und neuen Verwerfungen führen kann. Gibt es vielleicht jetzt schon Maßnahmen, die Sie sich wünschen würden, die Deutschland auf diesem Weg der Transformation (besser) unterstützen würden?

Das sehen wir ganz genauso. Unser Geschäftsmodell zielt daher darauf ab, die erneuerbaren Energien auf wirtschaftlich solide Beine zu stellen, die keine Subventionen mehr benötigen. Und das gelingt uns auch. Nahezu alle unserer neuen Projekte basieren auf langfristigen privatwirtschaftlichen Stromabnahmeverträgen, die wir direkt mit Unternehmen abschließen. Je weniger in den Markt eingegriffen wird, desto schneller können wir uns als unabhängiger Stromproduzent erneuerbarer Energien entfalten.

Wünschen würde ich mir generell weniger politische Interventionen.

Das ist ein Wort! Herr Dr. Husmann, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Simone Boehringer.

Autor/Autorin

Simone Boehringer

Simone Boehringer ist die Redaktionsleiterin "Kapitalmarktmedien" der GoingPublic Media AG.