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Seit September 2020 haben Aktiengesellschaften das Recht, die Daten der Aktionäre zu erheben und damit mehr Transparenz über ihre Eigentümerstruktur zu erhalten. Ab dem 1. Januar 2025 wird das Recht zur Pflicht und die Aktionärsdaten gehen auch an das Bundeszentralamt für Steuern. Ein Gespräch über die Hintergründe, Ziele und die praktische Handhabe dieser Regelung mit den verantwortlichen Co-Projektleitern der Behörde in Berlin.

HV Magazin: Herr Dr. Meschede, Herr Gornik, ARUG II wurde und wird von vielen Unternehmen als Erfolg gefeiert. Einen besseren Überblick über seine Aktionäre zu erhalten ist gerade in diesen unsicheren Zeiten ein wichtiges Pfund. Welche Rolle spielt dieses Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie der EU bisher für Ihre Arbeit?

Dr. Meschede/Gornik: Aufgrund des Gesetzes wurde europaweit ein standardisierter elektronischer Informationsweg zwischen den Aktiengesellschaften und den Intermediären (Verwahrstellen) über die Identität der Aktionäre etabliert. Auf diese Grundstruktur können die inländischen börsennotierten Gesellschaften aufsetzen, um ihrer Meldeverpflichtung nach § 45b Abs. 9 EstG gegenüber der Finanzverwaltung ab 2025 nachzukommen.

Das Bundeszentralamt für Steuern verwaltet alle Steuern des Bundes in Deutschland. Können Sie in diesem Zusammenhang für weniger mit Ihrer Behörde vertraute Leserinnen und Leser erklären, in welchem Kontext Sie grundsätzlich Berührungspunkte mit der Wirtschaft bzw. direkt mit den Unternehmen haben?

Dr. Meschede/Gornik: Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) verwaltet nicht ­alle Steuern des Bundes. Die Verwaltung der Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuern obliegt den Landesfinanzverwaltungen. Ein Teil der Verbrauchsteuern wird durch die Bundesfinanzverwaltung (Zoll und BZSt) verwaltet. Das BZSt konkret hat Berührungspunkte im Bereich der Erhebung der Versicherung- und Feuerschutzsteuer. Darüber hinaus werden im BZSt die Elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELSTAM) gebildet und über die Landesfinanzverwaltung für Arbeitgeber zum Abruf bereitgestellt. Die Datenbanken zur steuerlichen Identifikationsnummer (IdNr) sowie die Umsatzsteueridentifikationsnummer (USt-IdNr) werden im BZSt betrieben. Weiterhin besteht eine Vielzahl von nationalen und internationalen Meldeverpflichtungen, bei denen das BZSt involviert ist, z.B. Meldungen über tatsächliche freigestellte Kapitalerträge (FSAK) oder Common Reporting Standard (CRS). Insbesondere in den nationalen Verfahren FSAK, dem Kontenabrufverfahren und bei der Erstattung der Kapitalertragsteuer nach § 50c EStG bestehen intensive Kontaktpunkte zwischen Kreditinstituten und dem BZSt.

Nun gilt ab 1. Januar 2025 gemäß dem Mitteilungsverfahren Kapitalertragsteuer auf Dividenden aus Aktien und Hinterlegungsscheinen, kurz MiKaDiv, die Pflicht, die ursprünglich freiwillig nach ARUG II erhobenen Aktionärsdaten an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln. Welche Erkenntnisse erhoffen sich die Steuerbehörden darüber?

Die Daten dienen der Aufdeckung und Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen im Zusammenhang mit der Erstattung und Anrechnung von Kapitalertragsteuer.

Dr. Meschede/Gornik: Ein Teil der neuen Melde- und Bescheinigungspflichten nach §§ 45b, c EStG ist die Pflicht von inländischen börsennotierten Gesellschaften, die Identität ihrer Aktionäre zum Gewinnverteilungsbeschluss an das BZSt zu melden. Die Daten dienen der Aufdeckung und Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen im Zusammenhang mit der Erstattung und Anrechnung von Kapitalertragsteuer. Insbesondere durch einen Abgleich der Informationen über die Aktionäre mit den weiteren Bescheinigungsdaten wird das Verfahren sicherer und weniger betrugsanfällig.

Die genannten Daten erfahren die Steuerbehörden doch bereits über die Veranlagung der Einzelaktionäre. Erfolgt die Meldung über die Unternehmen dann nur zu Kontrollzwecken?

Dr. Meschede/Gornik: Zur genauen Verwendung der Daten können wir Ihnen hier leider keine Auskünfte geben. Die unterschiedlichen Quellen und Übermittlungszeitpunkte spielen bei der Auswertung jedoch eine Rolle.

In den Fachdiskussionen zur Ausgestaltung des MiKaDiv blieb bisher offen, welche Daten genau übermittelt werden sollen und zu welchem Zeitpunkt. Muss eine aktuelle Erhebung dafür extra beauftragt werden oder können die Unternehmen bereits für andere Zwecke und ggf. einige Monate alte Daten an Sie senden?

Dr. Meschede/Gornik: Es sind verschiedene Meldeverpflichtungen zu unterscheiden. Die Regelungen nach § 45 Abs. 2 bis 6 EStG verpflichten die zur Ausstellung der Bescheinigung verpflichteten Stellen, also primär die letzte inländische Zahlstelle zur Übermittlung an das BZSt. Hier sieht das Gesetz sehr detaillierte Regelungen vor. Insbesondere werden Daten zu verwahrten Aktienpaketen und Informationen über den Erwerb bescheinigt bzw. übermittelt. Die Übermittlungspflicht nach § 45c EStG ist zusätzlich zu den genannten Stellen durch die Zentralverwahrer zu bedienen. Hier geht es vorrangig um globalere Information wie insgesamt ausgezahlte Dividenden oder Kompensationszahlungen. Ein dritter Weg wird durch die inländischen börsennotierten Gesellschaften bedient werden. Durch diese Gesellschaften ist eine Übersicht der Aktionäre zum Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses an das BZSt zu übermitteln. Sofern für diesen Zeitpunkt bereits eine Erhebung vorgenommen wurde, kann diese genutzt werden. Zum gesamten Verfahren wird es noch ergänzende BMF-Schreiben geben, die in enger Zusammenarbeit mit allen Verfahrensbeteiligten erstellt werden.

Durch einen Abgleich der Informationen über die Aktionäre mit den weiteren Bescheinigungsdaten wird das Verfahren sicherer und weniger betrugsanfällig.

Spielt der Datenschutz bei der Übermittlung an das Bundeszentralamt eine Rolle bzw. gibt es datenschutzrecht­liche Einschränkungen, die Emittenten beachten müssen?

Dr. Meschede/Gornik: Für die Finanzverwaltung spielen der Datenschutz und das Steuergeheimnis eine essenzielle Rolle bei der Umsetzung ihrer gesetzlichen Aufgaben. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Regelungen für das MiKaDiv das Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Übermittlungspflichten gesehen und daher sehr bewusst großen Wert auf eine genaue Beschreibung der zu übermittelnden Daten und des Verfahrens gelegt.

Der sogenannte Freiverkehr ist von den Regelungen zur Übermittlung eines Aktionärsverzeichnisses nicht erfasst.

Eine weitere Detailfrage mit ggf. großer Tragweite: Welche am Kapitalmarkt notierten Unternehmen sind gegenüber den Steuerbehörden anzeigepflichtig bzgl. der Aktionärsdaten und welche nicht? Aktiengesellschaften etwa, deren Aktien „nur“ im Freiverkehr, also jenseits der regulierten Marktsegmente, angeboten werden, gelten ja regulatorisch normalerweise nicht als börsennotiert.

Dr. Meschede/Gornik: Die Verpflichtung zur Übermittlung erstreckt sich auf inländische börsennotierte Gesellschaften. Maßgeblich für die Einordnung als börsennotiert ist die Definition des § 3 Abs. 2 AktG. Der sogenannte Freiverkehr ist von den Regelungen zur Übermittlung eines Aktionärsverzeichnisses nicht erfasst.

Am Ende betrifft die Anzeigenpflicht der via ARUG II gewonnenen Aktionärsdaten dann ggf. rund 550 Unternehmen im Prime Standard und in regulierten Märkten an deutschen Börsen. Wäre eine Verwaltungsregelung unterhalb der Gesetzesschwelle hier zielgenauer (gewesen)?

Dr. Meschede/Gornik: Durch eine gesetzliche Regelung wird für alle Beteiligten Rechtssicherheit erzeugt. Sowohl für Unter­nehmen als auch für die Finanzverwaltungen ergeben sich dadurch klare und abgrenzbare Rechte und Pflichten sowie ein planbarer Umsetzungsprozess.

Ist damit zu rechnen, dass sich bis zur Einführung der Meldepflicht am 1. Januar 2025 gemäß MiKaDiv noch etwas Substanzielles an der Ausgestaltung ändert?

Dr. Meschede/Gornik: Nach unserem Kennt­nis­stand sind gegenwärtig keine gesetz­lichen Änderungen angedacht.

Haben Sie vielen Dank für die Ausführungen und Klarstellungen.

Das Interview führte Simone Boehringer. Es ist auch im aktuellen HV Magazin 2/23 erschienen.


ZU DEN INTERVIEWPARTNERN:

Jens-Uwe Gornik

Jens-Uwe Gornik
MiKaDiv-Projektleiter,
Bundeszentralamt für Steuern

Dr. Marius Meschede

Dr. Marius Meschede

MiKaDiv-Projektleiter,
Bundeszentralamt für Steuern

Autor/Autorin

Simone Boehringer

Simone Boehringer ist die Redaktionsleiterin "Kapitalmarktmedien" der GoingPublic Media AG.