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„Interkulturelle Kompetenz ist wichtiger denn je, jetzt, da wir via Kamera miteinander kommunizieren“, erklärt Nina Zolezzi von EnglishBusiness über die Auswirkungen von COVID-19 auf die Kommunikation am Arbeitsplatz im Interview.

GoingPublic: Frau Zolezzi, für unsere Leser, die EnglishBusiness vielleicht noch nicht kennen: Ihr Slogan lautet „we expand your global reach“. Was bedeutet das und inwiefern ist das für die Schweiz relevant?

Zolezzi: Unser Ziel ist es, Menschen zu befähigen, über Kulturen und Sprachen hinweg zu kooperieren und zusammenzuarbeiten. Ein wichtiger Aspekt für international wachsende Unternehmen ist es, eine klare, konsistente Sprache zu etablieren, die weltweit eine wiedererkennbare und überzeugende Handschrift hat. Wir unterstützen unsere Kunden mit unserem sprachlichen Fachwissen und Kommunikationstrainings sowie beim Erwerb interkultureller Kompetenzen.

In der Praxis bedeutet das, dass wir übersetzen, Terminologiedatenbanken aufbauen und Mitarbeitende darin schulen, mit multikulturellen Stakeholdern auf der ganzen Welt erfolgreich zu interagieren.

Darüber hinaus konzipieren wir Teambuilding- und interkulturelle Sensibilisierungsmaßnahmen für Teams, die aus kulturübergreifenden M&As hervorgegangen sind. Bedingt durch die Coronaviruskrise stehen internationale Teams vor besonderen Herausforderungen, da sie sich nicht mehr persönlich sehen. Teambildung und interkulturelles Bewusstsein werden dadurch wichtiger denn je.

Die Schweiz ist ein hervorragendes Beispiel für interkulturelle und mehrsprachige Kommunikation. In keinem anderen europäischen Land wird so aktiv über kulturelle und sprachliche Barrieren hinweg gearbeitet wie in der Schweiz.

Sie sagen, dass Teambildung und interkulturelles Bewusstsein immer wichtiger werden – was genau meinen Sie damit? Wie relevant sind diese Fähigkeiten heute?

Interkulturelles Bewusstsein und kulturübergreifende Kommunikation waren schon immer Schwerpunkt von EnglishBusiness, denn sie bilden die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit und effiziente Teams. Heute sind die Kompetenzen wichtiger denn je: Durch Homeoffice und Remote Teams können sich Kollegen und Kunden überall auf der Welt befinden. Das macht unsere Interaktionen kulturell noch komplexer. Für uns bedeutet interkulturell jedoch nicht nur „länderübergreifend“ – selbst innerhalb eines Bereichs sind die Teams multikulturell. Unsere individuelle Kultur und damit die Art und Weise, wie wir uns verhalten, ist von einer Vielzahl von Einflüssen geprägt. Bei der Entwicklung von kulturübergreifendem Fachwissen geht es somit auch um diese subtilen, aber wichtigen Unterschiede. Teams sind dynamisch, Menschen sind komplex, und erfolgreiche Kommunikation bedeutet lebenslanges Lernen.

Sie sprechen von neuen komplexen Interaktionen, die durch die Coronakrise entstanden sind. Was meinen Sie damit konkret? Brauchen die Mitarbeitenden neue Fähigkeiten?

Die Menschen haben sich in den letzten 18 Monaten schnell mit Remote-Arbeit und virtuellen Meetings vertraut gemacht. Diese neue Arbeitsform bringt jedoch auch Einschränkungen und Herausforderungen mit sich, derer sich nicht jeder bewusst ist.

Das Ziel guter Kommunikation besteht darin, Missverständnisse zu vermeiden, Konflikte zu minimieren sowie Kreativität, Kooperationsbereitschaft und Zusammenarbeit zu stärken. Hierfür bedurfte es vor der Pandemie einer gemeinsamen Sprache sowie des Bewusstseins und der Achtsamkeit für kulturelle Unterschiede. Kulturell betrachtet sind scheinbar beleidigende Verhaltensweisen, wie das Zuspätkommen zu einem Meeting, nicht zwingend ein Affront. Dieses Wissen macht die Zusammenarbeit produktiver, effektiver und angenehmer.

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Zudem ist den meisten nicht bewusst, dass bis zu 55% der Botschaften, die wir erhalten, als nonverbale Signale übermittelt werden. Untersuchungen von Prof. Mehrabian, emeritierter Professor für Psychologie an der Universität von Kalifornien, haben ergeben, dass der wichtigste Aspekt, der sich auf die Glaubwürdigkeit kommunizierter Botschaften auswirkt, die Konsistenz bzw. die Inkonsistenz von visuellen, akustischen und sachlichen Signalen ist. Die Glaubwürdigkeit ist am höchsten (d.h., die Botschaft wurde von den meisten Testkandidaten geglaubt), wenn alle Signale konsistent sind. Das Konzept der Glaubwürdigkeit ist jedoch nicht neu: Aristoteles verwies darauf bereits vor über 2.000 Jahren und nannte es „Pathos“.

Nun ist es so, dass vor dem Bildschirm nur ein kleiner Teil von uns und unserem Gegenüber zu sehen ist. Es werden uns dadurch viele Signale vorenthalten, die wir vorher weitgehend unbewusst verarbeitet haben. Vor allem Kulturen, die viel gestikulieren (z.B. Italiener), haben so einen Teil ihrer „Stimme“ verloren, und uns geht oft unbewusst die Hälfte der Daten verloren, die wir brauchen, um die andere Person richtig zu verstehen. Daraus resultiert eine Fülle an potenziellen Missverständnissen.

Und was können wir dagegen tun?

Das, was wir Menschen am besten können: uns anpassen und lernen. Neben interkultureller Kompetenz muss der Umgang mit Technologien und virtuellen Meetingräumen sowie Körpersprachtraining für digitale Meetings aktiv in die Weiterbildung integriert werden.

Die Schweiz genießt den Ruf der Internationalität und ist sprachlich vielfältig, immerhin zählt sie vier Landessprachen. Sehen Sie hier irgendwelche besonderen Auswirkungen?

Wie Sie sagen, ist die Schweiz sehr interkulturell und es gibt auch Unterschiede zwischen den Kantonen. Kulturelle Vielfalt ist in internationalen Unternehmen jedoch zur Norm geworden und es wird immer offensichtlicher, dass die nationale Perspektive nur eine sehr limitierte Sicht auf den individuellen Menschen zulässt.

In der heutigen globalen Wirtschaft sind Menschen mit mehreren Nationalitäten und multikulturellem Hintergrund allgegenwärtig. Elon Musk z.B. hat drei verschiedene Pässe, wuchs in Südafrika auf und lebt heute in den USA. Kamala Harris’ Eltern kamen aus Jamaika und Indien in die USA. Die Liste lässt sich beliebig fortführen und es ist klar, dass die Menschen zunehmend nationale Grenzen überschreiten, um zu studieren, zusammenzuarbeiten und ihre Ziele zu erreichen.

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Das heißt, eine gemeinsame Sprache für internationale Teams, wie Englisch, ist ein guter Ausgangspunkt. EnglishBusiness hat schon vielen Unternehmen geholfen, ihre Kommunikation zu verbessern. Es fängt oft mit Englischkursen an – aber eine gemeinsame Sprache reicht nicht aus, da sie nicht vor Missverständnissen schützt, insbesondere wenn es um kulturelle Missverständnisse innerhalb von Teams geht.

Wie funktioniert der Aufbau eines interkulturellen Bewusstseins?

Kulturelles Bewusstsein ist keine akademische Angelegenheit. Ebenso wichtig wie das Wissen über die Kulturen, denen man bei der Arbeit begegnet, sind immersive Erfahrungen. Hierfür bieten wir kulturübergreifende Simulationen an, bei der zwei Gruppen fiktive Sprachen und Wertesysteme lernen. Nachdem sie das Verhalten der jeweils anderen Gruppe studiert und erforscht haben, spielen sie, prallen aufeinander und interagieren – das ist nicht nur äußerst unterhaltsam, sondern auch sehr aufschlussreich. Die Simulation gibt den Teilnehmenden einen sicheren Raum, um kulturelle Fehler zu begehen. Sie spüren, was es bedeutet, ein Außenseiter oder ein Insider zu sein, und bekommen die Chance, Strategien einzuüben, um sich erfolgreich zurechtzufinden. Die erzeugten Emotionen helfen, dies zu verinnerlichen.

Wenn Sie uns nur einen einzigen wertvollen Tipp geben könnten, welchen würden Sie wählen?

Seien Sie aufrichtig neugierig auf andere. Bei Neugier geht es um Interesse und Verbundenheit. Wenn Menschen interessiert und verbunden sind, neigen sie dazu, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Frau Zolezzi, vielen Dank für das gute Gespräch.

Autor/Autorin

Isabella-Alessa Bauer