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Wie die F.A.Z. gemäß eines der Zeitung vorliegenden Referentenentwurfs berichtet, soll die Hauptversammlung auch nach der Pandemie in rein virtueller Form möglich sein. Demnach will die Bundesregierung mit einer Änderung des Aktiengesetzes jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen. Während das Aktiengesetz bislang eigentlich eine Präsenzpflicht für Aktionärstreffen vorsah, wurde den Unternehmen während der Pandemie per befristeter und seitdem mehrfach verlängerter Corona-Sonderregel die Durchführung rein virtueller Aktionärstreffen vorübergehend erlaubt. Dies soll nun dauerhaft im Aktiengesetz verankert werden.

Ideen zur Präsenz-Hauptversammlung ab September 2022 – (goingpublic.de)

Laut Referentenentwurf sollen Aktionäre künftig selbst über das Format ihrer Hauptversammlung entscheiden können: Die Präsenzversammlung bleibt nach dem Entwurf zwar die Grundform der Hauptversammlung. Aber in das Aktiengesetz soll eine neue und umfassende Vorschrift eingefügt werden, wonach Aktionäre in der Satzung den Vorstand ermächtigen können, dass die Hauptversammlung auch ohne physische Präsenz der Aktionäre abgehalten werden kann. So soll die Regelung in der Satzung dabei auf maximal fünf Jahre befristet werden, damit die Aktionäre die Legitimation regelmäßig erneuern müssen.

Während z.B. der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) (http://www.bdi.eu) und das Deutsche Aktieninstitut (http://www.dai.de) schon länger die dauerhafte Verankerung des Onlineformats im Aktiengesetz gefordert haben und viele Vorstände der virtuellen Hauptversammlung positiv gegenüberstehen, haben dementgegen Aktionärsschützer in den vergangenen beiden Jahren beklagt, ihre Rechte seien auf den meisten virtuellen Hauptversammlungen erheblich eingeschränkt worden. So zeigten sich dann auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) (http://www.dsw-info.de) und der Fondsverband BVI (http://www.bvi.de) skeptisch bzgl. der Corona-Sonderregelung für das virtuelle Format.

So heißt es im Referentenentwurf demnach nun, das virtuelle Format „habe sich grundsätzlich bewährt“, in vielen Fällen sei die Aktionärspräsenz sogar gestiegen. So soll es insbesondere für ausländische Aktionäre online deutlich einfacher geworden sein, an einer Hauptversammlung teilzunehmen. Zudem könnten sich deutsche Kleinaktionäre „die nicht unerheblichen Kosten für Anreise und Übernachtung“ sparen und auch für die Unternehmen sei die Regelung günstiger. Durch das neue Gesetz könnten Aktionäre nach Einschätzung des Entwurfs voraussichtlich 14 Mio. EUR sparen, betroffene Unternehmen zusammen rund 35 Mio. EUR, heißt es in der Begründung. Das neue Gesetz soll Onlineformate aber auch nicht erzwingen, die Regierung will laut Begründung „größtmögliche Flexibilität“ zulassen.

Jeder dritte Emittent nutzt die „externe“ virtuelle Hauptversammlung! – (goingpublic.de)

Aktionärsrechte sollen weiter gestärkt werden

Unternehmen konnten durch die Corona-Sonderregelung ihre Hauptversammlung meist recht straff durchorganisieren, da sie nicht mehr direkt auf Fragen während einer Präsenzveranstaltung antworten mussten, sondern vorab eingereichte Fragen aussortieren/filtern konnten und der Versammlungsleiter konnte die ausgewählten Fragen dann auf der virtuellen Veranstaltung präsentieren.

Um Aktionärsrechte auf virtuellen Versammlungen besser zu schützen, führt der Referentenentwurf bestimmte Voraussetzungen auf: So sollen Aktionäre ein Auskunftsrecht im Wege elektronischer Kommunikation erhalten, welches in der Versammlung gewährt werden kann. Dennoch soll Vorständen die Möglichkeit vorbehalten bleiben, die Fragen bis zu vier Tage vor dem Versammlungstermin vorab eingereicht zu bekommen. Macht ein Vorstand davon Gebrauch, so muss er in diesem Fall aber allen Aktionären ein Nachfragerecht über elektronische Kommunikationswege in der Versammlung einräumen. „Nachfragen die in keinem sachlichen Zusammenhang zu der vorab eingereichten Frage und zu der Antwort des Vorstands stehen, werden nicht beantwortet.“, so der Referentenentwurf. Aktionäre müssen Anträge in der Versammlung elektronisch stellen können, jedoch sind Gegenanträge gegen Beschlussvorschläge der Verwaltung in der Versammlung nicht mehr möglich.

Redemöglichkeit per Videoschalte

Auch Reden von Aktionären soll es per Live-Schaltung wieder geben, das Unternehmen darf aber die Zahl und zeitliche Länge der Redebeiträge im Vorfeld begrenzen: „Den Aktionären ist in der Versammlung eine Redemöglichkeit im Wege der Videokommunikation zu gewähren“, so der Referentenentwurf. Über die Reihenfolge der Redebeiträge entscheidet der Versammlungsleiter. Zudem sollen technische Störungen kein Grund für die Anfechtung von Beschlüssen werden dürfen.

Zur weiteren zeitlichen Straffung einer Versammlung, sollen alle Aktionäre weiterhin die Möglichkeit erhalten, Stellungnahmen in Text oder Videoform im Vorfeld des Treffens einzureichen, die dann wiederum allen anderen Aktionären zugänglich gemacht werden. Andererseits muss der Vorstand seinen Bericht den Aktionären schon vor der Versammlung zugänglich machen.

Es wird sich nun zeigen müssen, auf welches Echo der Referentenentwurf auf Praxisebene treffen wird. Der Entwurf wurde im Bundesjustizministerium ausgearbeitet und ging am vergangenen Mittwoch in die Ressortabstimmung. Das neue Gesetz soll dann noch im Sommer verabschiedet werden, wenn die Corona-Sonderregelung am 31. August ausläuft.

Autor/Autorin

Ike Nünchert ist Mitglied des Autoren-Teams und schreibt für GoingPublic On- & Offline-News rund ums Börsengeschehen schwerpunktmäßig in Europa und den USA. Ein weiterer Berichtsfokus liegt beim Segment gründergeführter börsennotierter Unternehmen.