OeKB: Digitaler Tresor

Um die Bedeutung der Issuer Platform richtig einordnen zu können, muss man zunächst die Aufgaben der OeKB CSD kennen, welche die 100%ige Tochter der Oesterreichische Kontrollbank AG (OeKB) als Zentralverwahrer gemäß EU-CSD-Regulation erbringt:

• Übernahme der Wertpapiere der kapitalaufnehmenden Emittenten zur Verwahrung und Verwaltung für die Investoren.
• Steuerung der Zahlungen der Emittenten an die Investoren zur Erfüllung der in den Wertpapieren verbrieften ­Ansprüche der Investoren gegenüber den Emittenten.
• Führung der Buchungsaufträge der ­Investoren zur Abwicklung der Wert­papiergeschäfte, die diese an der Börse und außerbörslich abgeschlossen haben.

Der Handel und die Übertragung von Wertpapieren finden bereits seit Jahrzehnten rein elektronisch statt. Lediglich der allererste Schritt – das Entstehen eines Wertpapiers, die Emission – war bisher immer mit Papier, Stempel und Unterschrift verbunden.

Die Wertpapiersammelurkunde

Die Sammelurkunde, auch Globalurkunde genannt, verbrieft den Gesamtwert der Emission. Sie wurde und wird im Tresor des Zentralverwahrers sicher verwahrt. Teilrechte an der Sammelurkunde wurden – und werden – den Depotkunden der OeKB CSD gutgeschrieben und bilden ­jeweils deren Anteil an der Gesamtemission ab. Diese Depotkunden haben ihrerseits wieder Kunden – so entsteht eine Kette, die sogenannte Verwahrkette. Diese kann Dutzende Glieder haben und reicht nicht selten ins Ausland.

All dies funktioniert hervorragend. Aus guten Gründen hat es lange gedauert, bis der Gesetzgeber sich davon überzeugen ließ, dass auch die erste Phase, welche das Wertpapier begründet, sich elektronisch abbilden lässt. Ein wichtiger Grund für die vielen Abstimmungsgespräche und Diskussionen bei der Ablöse dieses ­papiergebundenen Prozesses ist die Notwendigkeit der unbedingten Garantie der Authentizität einer Sammelurkunde. Für das Funktionieren des Kapitalmarkts muss jederzeit gewährleistet sein, dass die Identität des Emittenten und die Eigenschaft des verbrieften Rechts hinsichtlich seiner Qualität und Quantität – die ­Wertpapierbedingungen – geprüft und ­sicher sind.

Ein weiterer Grund ist die unbedingte Wahrung der Integrität der Emission. Es würde das Vertrauen in den Kapitalmarkt schwer beschädigen, wenn sich die ­Anzahl der Anteile an Schuldverschreibungen oder Eigentumsrechten unkontrolliert, willkürlich oder in Betrugsabsicht verändern würden.

Issuer Platform der OeKB CSD

Die Novelle des Depotgesetzes aus dem Vorjahr erlaubt nunmehr die Begebung von Wertpapieren in papierloser Form als digitale Sammelurkunde. Um die daraus entstehenden Vorteile den Teilnehmern am österreichischen Kapitalmarkt in vollem Umfang zugänglich zu machen, hat die OeKB CSD die Issuer Platform entwickelt: den zentralen „digitalen Tresor“ mit ­elektronischen Schnittstellen für die Anlage und Verwaltung digitaler Sammelurkunden und den interaktiven Informationsaustausch zum jeweiligen Wertpapier.

Die Festlegung von Regeln und Prozessen sowie von modernen Systemen mit höchster Ausfallsicherheit sowie Absicherung gegen Irrtum oder Missbrauch ­ermöglicht eine Verwahrung durch den Zentralverwahrer, die den gleichen Qualitätsansprüchen wie bei einer physischen Verwahrung eines Papiers gerecht wird. Einen solchen Prozess bringt die OeKB CSD nun ab dem vierten Quartal 2022 zum Einsatz.

Wesentliches Element zur Nutzung der Issuer Platform, die am 7. November 2022 live gehen wird, sind die in den neuen AGB definierten Funktionen und deren Auf­gaben.

• Transfer Agent (Übermittlung der Infor­mationen zur Anlegung und Abänderung digitaler Sammelurkunden)
• Paying Agent (Zahlungen des Emittenten in dessen Namen und auf dessen Rechnung)
• Information Agent (Bekanntgabe von Informationen zu Wertpapieren)
• Corporate Action Agent (Informationen und Aufträge zu Kapitalmaßnahmen)
• General Meeting Agent (Bekanntgaben zu SRD-II-Hauptversammlungen)

Weiterführende Informationen zur Issuer Platform finden Sie auf oekb-csd.at in der Rubrik Entwicklungen, Releases & Projekte.

Der OeKB > ESG Data Hub

Europa soll bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden und die Finanzbranche ist ein wesentlicher Akteur bei der Transformation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit. Um die Klima- und Energieziele der EU zu erreichen, müssen ­Investitionen in nachhaltige Projekte und Aktivitäten gelenkt werden.

Vielfältige und stetig zunehmende ­regulatorische Verpflichtungen bilden dabei den Rahmen und stellen sowohl Kreditinstitute als auch Unternehmen vor neue ­Herausforderungen. So sind Kreditinstitute durch regulatorische Anforderungen beispielsweise dazu verpflichtet, bei der ­Kreditvergabe die ESG-Kriterien der Unter­nehmen zu evaluieren, und Unternehmen sind ebenfalls zunehmend gefordert, einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten und diesen auch offenzulegen. Eine entsprechende EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen wird stufenweise eingeführt und soll ab 2026 letztlich auch für börsennotierte KMU gelten.

Nachhaltiges Handeln offenlegen

Die Verfügbarkeit von verlässlichen ESG-Daten ist von enormer Relevanz, um diese zunehmenden regulatorischen Verpflichtungen zu erfüllen und gleichzeitig auch die großen Chancen der Transformationsprozesse gezielt nutzen zu können. Da ­aktuell noch kein einheitlicher Standard existiert, hat die OeKB unter Einbeziehung österreichischer Kreditinstitute eine zentrale, strukturierte Onlineplattform entwickelt.

Der OeKB > ESG Data Hub ermöglicht einen effizienten und transparenten Austausch der relevanten Nachhaltigkeitsdaten. Zentrales Feature ist ein allgemeiner ESG-Fragebogen, der gemeinsam mit österreichischen Kreditinstituten erarbeitet wurde. Dieser koordinierte Zugang ist ganz ­zentral und war ein häufig geäußerter Wunsch von Unternehmenskunden.

Lösung für KMU und ­Großunternehmen

Basierend auf den wichtigsten geltenden Standards und Vorschriften wurden ein ESG-Unternehmensfragebogen und sechs ESG-sektorspezifische Fragebögen erarbeitet. Beide Abschnitte unterscheiden sich im Umfang für Großunternehmen und KMU und nehmen Rücksicht auf die spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse. Unternehmen können den OeKB > ESG Data Hub kostenlos nutzen und nach dem einmaligen Ausfüllen der Fragebögen ­entscheiden, welche Banken auf ihre ESG-Daten zugreifen dürfen, um beispielsweise die Bearbeitung von Kreditanträgen zu beschleunigen.

Banken erhalten über die zentrale ­Onlineplattform strukturierte, standar­disierte und harmonisierte ESG-Daten, die über eine API-Schnittstelle in ihre Systeme importiert werden können. Diese Daten können beispielsweise für das interne ­Risikomanagement genutzt und bei ­Bedarf ebenfalls weiterverarbeitet werden. Damit entfallen hohe Entwicklungs- und Instandhaltungskosten für eine eigenständige ­Lösung.

Kontinuierliche Weiterentwicklung

Um auf die fortlaufenden Veränderungen im Bereich ESG und der zugrunde liegenden Regulatorik reagieren zu können und ­damit eine Standardisierung und allgemeine Gültigkeit zu gewährleisten, kann der OeKB > ESG Data Hub modulhaft weiterentwickelt werden. Wie schon bei der ­Entwicklung der Plattform verfolgt die OeKB dabei auch in Zukunft einen parti­zipativen Ansatz mit der Einbeziehung von Kundenfeedback sowie Arbeits- und Steuerungsgruppen.

Diesen Artikel finden Sie im GoingPublic Special „Kapitalmarkt Österreich“ – JETZT KOSTENFREI DOWNLOADEN!