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Das Thema Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren immens an Bedeutung gewonnen. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren spielt bei Unternehmen eine immer größere Rolle, insbesondere um den nachhaltigen Unternehmenserfolg in Einklang mit den globalen Energie- und Klimazielen zu bringen. In diesem Zusammenhang fordern Investoren, Ratingagenturen und die Regulierer verstärkt, dass die ESG-Kapitalmarktkommunikation der Unternehmen transparenter und umfassender wird.

Der Trend hin zu nachhaltigen Investments läutet somit den Paradigmenwechsel der Finanzwirtschaft ein, indem zukünftig nicht nur Fundamentaldaten, sondern auch der Beitrag zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft einen wesentlichen Stellenwert einnehmen und somit nachhaltige Kapitalströme erzeugt werden. Die gesetzlichen Rahmenwerke wie die EU-Taxonomie (European Green Deal) oder die Offenlegungsverordnung sollen als Richtungsweiser für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft dienen, um die global avisierten Nachhaltigkeitsziele erreichen zu können.

Auch unsere diesjährige Umfrage zeigt, dass Nachhaltigkeit von den Unternehmen sehr ernst genommen wird. So konnten wir wieder eine hervorragende Teilnehmerzahl verzeichnen, wovon inzwischen 65% den Stellenwert des Themas ESG/Nachhaltigkeit als hoch bis sehr hoch beurteilten. Wir führen die Befragung mittels Fragebogen jährlich seit 2014 bei ca. 350 Unternehmen durch. Wie sich das Thema Nachhaltigkeit aus Sicht börsennotierter Gesellschaften entwickelt, haben wir auch dieses Jahr wieder in unserer Studie von September bis Oktober 2021 analysiert.

Einfluss der Nachhaltigkeit im Unternehmen

Wir haben gefragt: „Warum verfolgt Ihr Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit?“ Zu den Hauptgründen zählen – ähnlich wie im Vorjahr – gesetzliche Vorgaben mit 60%, strategische Unternehmenspolitik/eigene Unternehmensphilosophie mit 65% (Vj.: 71%) und ESG-Anlagekriterien der Anteilseigner mit 33%. Bei einem Viertel der befragten Unternehmen spielt inzwischen auch der Verbraucherwunsch eine erhebliche Rolle und 58% verfolgen dieses Thema zur Gewinnung neuer Investoren.

Auf die Frage, was Nachhaltigkeit für das einzelne Unternehmen bedeutet, fielen die Antworten teils deutlich abweichend zum Vorjahr aus. Ressourcen einzusparen reicht den Unternehmen nicht mehr aus. Was bisher das Hauptziel war, bleibt wichtig, wird jetzt nur noch von über 55% der Befragen genannt (Vj.: 80%). Engagement im sozialen Bereich (etwa Weiterbildungsmaßnahmen, Umgang mit den Mitarbeitern) ist mit 68% derzeit das Hauptargument für die Befragten (Vj.: 66%). Aber auch die „Verbesserung des Umweltschutzes als Unternehmensziel“ bleibt von erheblicher Bedeutung (siehe Abb. 1). Neu aufgenommen haben wir nun auch die „Umsetzung einer nachhaltigen Corporate Governance“, also einer hohen Integrität im Unternehmen. Auch dies wurde von 48% der Befragten genannt.

Nachhaltigkeit im Mittelstand, Abb. 1Ökologische Nachhaltigkeit

Das Thema Umweltschutz spielt auch 2021 eine immer bedeutendere Rolle. Während ihn noch vor vier Jahren fast 30% als unwichtig einstuften, ist er in diesem Jahr für nur noch lediglich 5% unwichtig. Die verbleibenden 95% teilen sich in „neutral“ (33%) und „wichtig“ (62%) auf. Fast die Hälfte (49%) der Unternehmen misst mittlerweile ihren CO2-Fußabdruck (Carbon Footprint) und stellt die Ergebnisse überwiegend in den Nachhaltigkeits- und Geschäftsberichten zur Verfügung (Vj.: 44%).

Erstmals haben wir gefragt, ob die CO2-Emissionen auch kompensiert werden. 21% bejahten die Frage und nannten hierbei überwiegend die Beteiligung an Projekten zum Klimaschutz oder das Ziel, binnen weniger Jahre klimaneutral zu werden. Auf die Frage „Welchen Beitrag leistet Ihre Gesellschaft zusätzlich für den Umweltschutz?“ ist diesmal die Hauptantwort mit 77% der Unternehmen eine erhöhte E-Mobility durch Elektroautos und E-Bikes im Fuhrpark (Vj.: 55%). 67% der Befragten setzen Ökostrom im Unternehmen ein (Vj.: 62%) und 31% tragen durch die eigene Stromerzeugung zum Umweltschutz bei. Nur 5% leisten keinen bis gar keinen Beitrag zum Umweltschutz (siehe Abb. 2).

Nachhaltigkeit im Mittelstand, Abb. 2Ethische und soziale Nachhaltigkeit – der Mensch im Mittelpunkt

Ähnlich wie im Vorjahr steht bei 87% der befragten Unternehmen „der Mensch“ im Mittelpunkt. 76% bilden dabei selbst aus. Die Hauptgründe für eine Ausbildung sind vonseiten der Unternehmen z.B., junge Menschen früh an das Unternehmen zu binden und sich den Nach wuchs in gewissen Bereichen frühzeitig zu sichern.

Viele gaben an, dass die Ausbildung junger und talentierter Mitarbeiter als ethische Verpflichtung angesehen wird. Wie wichtig der Mensch im Unternehmen ist, spiegelt auch die Frage nach kostenfreien Trainings-/Schulungsmöglichkeiten. 95% bieten solche an (Vj.: 93%), davon 76% in Form von IT-Fortbildungen; 60% bieten Sprachkurse, über die Hälfte duale Studienangebote, und inzwischen 40% ermöglichen Ausbilderscheine (Vj.: 31%).

Wiederholt haben wir nach der durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter gefragt, wobei 87% eine Zugehörigkeit von über sechs Jahren nannten (Vj.: 73%) – über ein Viertel davon sogar von über zehn Jahren. Die Frage, ob Maßnahmen für ein besonders nachhaltiges Arbeitsumfeld bestehen, bejahten nahezu alle Gesellschaften (97%). Insbesondere Homeoffice (87%), Teilzeitstellen für Mitarbeiter mit Kindern (90%), flexible Arbeitszeitgestaltung (84%) sowie Gesundheitsangebote (66%) bleiben ähnlich dem Vorjahr auf hohem Niveau.

92% der befragten Unternehmen gewähren ihren Mitarbeitern zusätzliche freiwillige Sozialleistungen (Vj.: 96%), überwiegend in Form von Altersvorsorge(n) (58%), vermögenswirksamen Leistungen (53%) und Zuschüssen zu öffentlichen Verkehrsmitteln (42%). Fast ein Viertel bietet eine Treueprämie. Wie wichtig der Mitarbeiter ist, spiegelt sich auch beim Thema Lohngerechtigkeit wider. 79% der befragten Unternehmen erachten ihre Bezahlung als leistungsgerecht (Vj.: 84%), inzwischen 18% sogar als übertariflich (Vj.: 11%). Gefragt nach dem kulturellen bzw. sozialen Engagement des Unternehmens, nannten ähnlich wie in den Jahren zuvor 81% der Befragten Spenden, gefolgt von Sponsoring mit 70%. Ehrenamtlich engagieren sich 43% für Initiativen und 27% gaben ein persönliches Engagement der leitenden Angestellten an.

Ökonomische Nachhaltigkeit/Corporate Governance

Für inzwischen 92% der Unternehmen ist die „Umsetzung der ökonomischen Nachhaltigkeit“ von erheblicher Bedeutung (Vj.: 70%). Die Gründe, weshalb sich die Unternehmen in ökonomischer Hinsicht mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen, könnten eindeutiger nicht sein. Über 70% tun dies aufgrund der sozial-gesellschaftlichen Verantwortung und als Reaktion auf politische/rechtliche Anforderungen. 43% geben auch die Reduktion der Finanzierungskosten als wichtiges über die Nachhaltigkeit zu erreichendes Ziel an. Hier ist der stärkste Zuwachs zu verzeichnen (siehe Abb. 3).

Nachhaltigkeit im Mittelstand, Abb. 3Wir fragten auch: „Welche Bedeutung hat der Bereich Forschung und Entwicklung bzw. Zukunftsinvestitionen in Ihrem Unternehmen?“ Ähnlich wie in den letzten Umfrageergebnissen stufen 70% diesen Bereich als wichtig ein. Dabei tätigen 95% der Gesellschaften Investitionen für kommende Zeiten, um ihr Unternehmen nachhaltig zu entwickeln (Vj.: 98%) – überwiegend in Mitarbeiter mit 82% (Vj.: 89%) und neue Technologien mit 78% (Vj.: 89%); je 45% tätigen Investitionen in die Verbesserung der Produktionsprozesse und in die Verbesserung der Produktionsprozesse und in Energieeffizienz.

Ähnlich der Befragung aus 2020 ermitteln 41% der Betriebe ihre Kundenzufriedenheit (Vj.: 45%). Dabei verzeichnen alle eine Kundenzufriedenheit von mindestens 75%, was einer Verbesserung von 5% zum Vorjahr entspricht. Erfreulich sind die Antworten auf die Frage der durchschnittlichen Kundenbindung. Fast 45% geben eine Kundenbindung von über zehn Jahren an (Vj.: 37%); 56% binden Kunden vier bis neun Jahre lang an ihr Unternehmen.

Nachhaltigkeitsberichte und deren Bedeutung

Laut unserer Umfrage erstellen 62% einen ESG-/Nachhaltigkeitsbericht, überwiegend nach den GRI-Standards (40%), den Standards des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) (26%), oder dem Integrated Reporting (11%). 54% erstellen diesen seit mehr als drei Jahren; dabei befolgen 11% die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex vollständig, 65% mit Einschränkungen. Zudem lässt sich rund ein Viertel der Unternehmen im Rahmen eines Nachhaltigkeitsratings bewerten. Mittlerweile glauben nur noch 15% der Befragten, dass Nachhaltigkeitsberichte derzeit keinen oder wenig Einfluss auf die Attraktivität ihres Unternehmens (Vj.: 21%; 2019 sogar 30%) bei Investoren haben. Fast 22% schätzen den Einfluss inzwischen als hoch ein (Vj.: 14%). 62% sind noch neutral.

Wir haben außerdem erneut nach der Umsetzung des Themas Nachhaltigkeit im Unternehmen gefragt und diese einschätzen lassen. Im Vorjahresvergleich ist die Selbsteinschätzung etwas kritischer ausgefallen; es beurteilen 35% die eigene Umsetzung als gut bis sehr gut (Vj.: 41%), als mittel bis ausreichend (Note drei oder vier) wird diese von 60% eingestuft (Vj.: 54%). Möglicherweise sind hier die eigenen Erwartungen bezüglich der Umsetzung gestiegen und es besteht auf dieser Basis noch Spielraum nach oben. Die Note „ungenügend“ wurde in diesem Jahr nicht vergeben.

Nachhaltigkeitsinvestoren zeigen weiterhin Interesse am Mittelstand

In diesem Jahr hat uns abermals interessiert, ob es in der Vergangenheit bereits Interesse am Unternehmen seitens Nachhaltigkeitsinvestoren (z.B. von Stiftungen) gegeben hat. 35% bejahten dies – allerdings bleibt ein von uns erwarteter deutlicher Anstieg hier aus.

Die 17 Nachhaltigkeitsziele der UNESCO

Erstmals haben wir die Unternehmen nach der Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNESCO gefragt (Quelle: www.bmz.de/de/themen/2030_agenda). Aus den Antworten sticht die Umsetzung von drei Zielen mit je rund 70% besonders hervor: UN-Ziel fünf – Geschlechtergleichheit: „Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen erreichen“; UN-Ziel acht – menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum: „Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit“; sowie UN-Ziel 13 –Maßnahmen zum Klimaschutz: „Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen“. Alle Antworten finden Sie in Abb. 4.

Nachhaltigkeit im Mittelstand, Abb. 4Fazit

Der deutsche Mittelstand hat das Thema Nachhaltigkeit deutlich im Fokus und nimmt sowohl die Teilbereiche ökologische, ethische und soziale als auch natürlich die ökonomische Nachhaltigkeit sehr ernst. Die überwiegende Zahl der befragten Unternehmen hat ESG in ihrer strategischen Unternehmenspolitik/-philosophie fest verankert. Hinsichtlich der ökologischen Nachhaltigkeit messen mittlerweile fast 50% den eigenen CO2-Fußabdruck und 21% kompensieren diesen bereits. Im Hauptfokus bezüglich der Umwelt steht das Thema E-Mobility und Ökostrom. Die Coronakrise bleibt ebenfalls ein weiterer Katalysator für die steigende Bedeutung. So steht der „Mensch“ besonders im Mittelpunkt und ist für den Mittelstand von besonderer Bedeutung. Hier engagieren sich die Unternehmen vor allem für ein nachhaltiges Arbeitsumfeld, bieten zahlreiche Schulungsmöglichkeiten und „investieren“ in die eigenen Mitarbeiter. Zudem bleibt auch die Ausbildungsquote weiter hoch.

Der Nachhaltigkeitsbericht als Instrument und Dokument für Investoren hat sich mittlerweile fest etabliert. 62% der befragten Unternehmen erstellen mittlerweile einen solchen Bericht, um sich transparent zu zeigen, und 58% wollen über die eigene Nachhaltigkeit auch neue Investoren gewinnen. Vor dem Hintergrund der stark steigenden Bedeutung des Themas ESG für alle Investoren ist der Mittelstand somit gut gerüstet und ein nachhaltiges Investment wert.

 

Autor/Autorin

Manuel Hoelzle

Manuel Hoelzle ist Chefanalyst bei der GBC AG. Das Unternehmen mit Sitz in Augsburg ist eines der führenden bankenunabhängigen Investmenthäuser in Deutschland und erfahrener Emissionsexperte für den deutschen Mittelstand.

Marita Conzelmann

Marita Conzelmann ist Konferenzmanagerin bei der GBC AG. Das Unternehmen mit Sitz in Augsburg ist eines der führenden bankenunabhängigen Investmenthäuser in Deutschland und erfahrener Emissionsexperte für den deutschen Mittelstand.