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Schriftzug 25-Jahre GoingPublic Magazin
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Bisher hatte sich Tion Renewables auf den Betrieb europäischer Solar- und On-Shore-Windparks konzentriert. Das Unternehmen erweiterte kürzlich sein Geschäftsmodell um Investitionen in andere skalierbare grüne Technologien, auch über erneuerbare Energien hinaus. Nun erfolgte der Erwerb des ersten Projekts im Bereich Batteriespeicher (BESS).

GoingPublic: Sehr geehrter Herr Strasser, können Sie noch einmal kurz skizzieren, warum Sie sich für die Erweiterung Ihres Portfolios außerhalb des klassischen Bereichs erneuerbarer Energien entschieden haben?

Strasser: Wir haben vermehrt festgestellt, dass für den Erfolg der Energiewende neben Wind- und Solaranlagen auch andere Technologien zunehmend an Bedeutung gewinnen. Während die steigenden Schwankungen aus der wetterabhängigen Stromerzeugung erneuerbarer Energien unsere Stromnetze vor immer größere Herausforderungen stellen, hinkt der benötigte Netzausbau hinterher und erhöht damit die Wichtigkeit von Energiespeicherlösungen. Batterieenergiespeichersysteme, auch bekannt als „Batteriespeicher“ oder „BESS“, eignen sich hervorragend dazu, kurzfristige Schwankungen innerhalb der Netze abzufedern und somit den Zubau von mehr erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Batterien bzw. BESS sind eine Schlüsseltechnologie mit erheblichem Zukunftspotenzial.

Christoph Strasser ist Co-CEO und CIO der Tion Renewables AG (vormals Pacifico Renewables Yield AG).

GoingPublic: Seit Ihrer Beteiligung an der clearvise AG im Juli ist nicht viel Zeit vergangen. Nun haben Sie schon das erste Projekt erworben, wie Sie es Rahmen der Geschäftsmodelländerung kommuniziert hatten. Wie zufrieden sind Sie bislang mit dem Verlauf der Unternehmenstransformation?

Dr. Siddiqui: Grundsätzlich zufrieden bis sehr zufrieden. Der wichtigste Schritt war sicherlich der Erwerb unseres ersten BESS. Viele Marktteilnehmer sprechen über die Technologie und sind sich ihrer Bedeutsamkeit für eine erfolgreiche Energiewende bewusst, doch nur wenige sind in der Lage dazu, BESS zu erwerben, geschweige denn zu betreiben. Wir haben bewiesen, dass wir es können – und das macht uns stolz. In der Zusammenarbeit mit der clearvise AG machen wir ebenso gute Fortschritte.

GoingPublic: Was hat den Ausschlag dafür gegeben, dass Sie sich beim ersten Batteriespeicherprojekt für Ihren Partner Boom Power entschieden haben?

Strasser: Das Team von Boom Power hatte bereits Erfahrung mit der erfolgreichen Realisierung von BESS. Zudem genießen wir einen sehr engen und vertrauensvollen Austausch, von dem wir auf dem Weg zu unserem Markteintritt profitiert haben. Schließlich haben sich sowohl die Entscheidung für unser erstes BESS in überschaubarer Größe (8 MW/9,3 MWh) als auch die Kooperation mit Boom Power als erster richtiger Schritt erwiesen.

Dr. Martin Siddiqui ist Co-CEO und CFO der Tion Renewables AG.

GoingPublic: Auf welches Kundensegment zielen die Speicherprojekte ab? Sind das gewöhnliche Batteriespeicher z. B. für Privathaushalte oder sind die Projekte eher für industrielle Anwendungen gedacht? Und wie erzielt man Umsatzerlöse mit den Speichern?

Strasser: Wir haben fünf schiffscontainergroße BESS erworben, die direkt an das Stromnetz angeschlossen sind. Damit agieren wir im industriellen Anwendungsbereich. BESS können von verschiedenen Erlöskanälen profitieren. Der in der Vergangenheit oft wichtigste Erlöskanal war die Bereitstellung von Reserveleistung zur Stabilisierung der Frequenz im Stromnetz. Darüber hinaus können Batterien von Schwankungen an den Strommärkten profitieren, also etwa durch das Aufladen in Zeiten niedriger Strompreise und das Entladen in Zeiten hoher Strompreise. Vereinzelte Märkte, beispielsweise der des Vereinigten Königreichs, bergen außerdem die Möglichkeit der BESS-Bereitstellung in Kapazitätsmärkten.

GoingPublic: Welche Größenordnung bei Batteriespeicherprojekten peilen Sie zukünftig an?

Strasser: In der Vergangenheit haben wir den Wind- und Solarbereich etappenweise erschlossen – mit Erfolg. So wollen wir auch in den BESS-Markt hineinwachsen. Mit unserer kürzlichen Akquisition haben wir erstmals von unserer insgesamt mehr als 1,5 GW großen BESS-Pipeline Gebrauch gemacht, die auch einige sehr große Projekte im dreistelligen MW-Bereich enthält.

GoingPublic: Sie haben Zugang zu einer Pipeline von über 5 GW an Photovoltaik- und Batteriespeicherprojekten. Worin liegt der Unterschied zwischen diesen beiden Segmenten und worin die Gemeinsamkeiten?

Strasser: Investitionen in Wind- und Solaranlagen im Vergleich zu Investitionen in BESS weisen ein etwas anderes Risiko-Rendite-Profil auf. Der wohl wichtigste Unterschied liegt in der Vermarktung der Projekte. Wind- und Solaranlagen, die Erlöse rein über den Verkauf des Stroms erwirtschaften, profitieren oft von langfristig abgesicherten Absatzpreisen. BESS hingegen weisen in der Regel weniger abgesicherte Absatzpreise vor, können dafür aber, wie gerade beschrieben, verschiedene Erlöskanäle kombinieren. Bei unserem ersten BESS erwarten wir beispielsweise eine Eigenkapitalrendite von knapp über 8 %, die wir durch den zielgerichteten Einsatz von Fremdkapital zu einem späteren Zeitpunkt weiter optimierten können und die oberhalb der Renditeerwartung für Wind- und Solaranlagen liegt.

GoingPublic: Wollen Sie schon verraten, ob Sie in nächster Zeit weitere Projekte aus dem Pool Ihrer Partner auf dem Radar haben?

Dr. Siddiqui: Wir genießen das Privileg, aus einer Vielzahl unterschiedlicher Projekte auswählen zu können. Aktuell prüfen wir verschiedene spannende Optionen, z. B. mit Fokus auf Solar im Vereinigten Königreich und BESS in Deutschland.

GoingPublic: Tion Renewables feierte kürzlich ihr dreijähriges Börsenjubiläum. Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit der Kursentwicklung der Aktie seit Börsenstart und speziell seit der Entscheidung, die Unternehmensstrategie neu auszurichten?

Dr. Siddiqui: Wir hatten einen großartigen Start an der Börse, der die Grundlage für die Eigenkapitalaufnahme war, die wiederum das rasante Wachstum der letzten Jahre finanziert hat. Dann haben wir unsere Unternehmensstrategie u. a. um Investitionen in grüne skalierbare Technologien über Wind und Solar hinaus, beispielsweise in BESS, erweitert. Es hat sich gezeigt, dass unsere Strategie von manchen Marktteilnehmern noch nicht vollständig verstanden wird. Deshalb werden wir unsere Weiterentwicklung kontinuierlich transparent kommunizieren und mit guter Arbeit unserem Aktienkurs hoffentlich zu alter Form verhelfen.

GoingPublic: Herr Strasser und Herr Dr. Siddiqui, herzlichen Dank für das Interview und schon mal vorab einen guten Start ins neue Jahr.

INFO
Börsengang: 18.11.2019
Erster Kurs: 21,50 EUR
IPO-Performance: 12 %
Umsatzprognose 2022: 30 Mio. bis 40 Mio. EUR
Market Cap: 115 Mio. EUR

www.tion-renewables.com/de

Das Interview führte Ike Nünchert.

Autor/Autorin

Ike Nünchert ist Mitglied des Autoren-Teams und schreibt für GoingPublic On- & Offline-News rund ums Börsengeschehen schwerpunktmäßig in Europa und den USA. Ein weiterer Berichtsfokus liegt beim Segment gründergeführter börsennotierter Unternehmen.