Der Bundestag wird die Gesetze zum Schutz von sogenannten Whistleblowern nun vorerst doch nicht verabschieden. Die Fraktionen hätten sich im Ältestenrat des Parlaments kurzfristig darauf verständigt, den für Donnerstagnachmittag angesetzten Tagesordnungspunkt zur 2. und 3. Lesung zu einem nationalen Hinweisgeberschutzgesetz (HinSChG) abzusetzen, sagte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) am Donnerstag ohne Angabe von Gründen.

Rechtsausschuss hatte Paket gebilligt

Die Entscheidung, das Gesetz vorerst nicht im Bundestag zu behandeln, fiel wenige Stunden, bevor es hätte diskutiert werden sollen. Noch am Dienstag hatte der Rechtsausschuss das Gesetzespaket ohne Änderungen gebilligt. Das Gesetz soll Hinweisgeber, die Missstände in Behörden und Unternehmen aufdecken, vor Entlassung und Repressalien bewahren.

Unverständlich war der kurzfristige Rückzug auch deshalb, weil die Ampel-Regierung zuletzt kräftig aufs Tempo gedrückt hatte, um mit fast anderthalb Jahren Verspätung einen umfassenden Whistleblower-Schutz in Deutschland sicherzustellen. Die entsprechende EU-Direktive 2019/1937 stammt von 2019 und hätte bis Dezember 2021 schon in deutsches Recht überführt werden müssen.

Deutschland gehörte zuletzt neben Estland, Luxemburg, Polen, Tschechien und Ungarn zu dem halben Dutzend säumiger EU-Länder, die ihrer Pflicht zur Umsetzung der Whistleblower-Direktive noch nicht nachgekommen waren.

Zweiter Anlauf in diesem Jahr

Im Februar dieses Jahres war die Koalition in Berlin noch mit einem Gesetzentwurf für ein nationales Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) im Bundesrat gescheitert. Nur gut einen Monat später folgte der zweite Anlauf, bei dem die Opposition in der Ländervertretung kaum Chancen hatte, das Gesetz zu blockieren. Dafür sorgte ein verfahrenstechnischer Kniff: das Gesetz wurde aufgespalten, zustimmungspflichtig war nur noch der Teil, der die Inhalte des eigentlichen HinSchG auf Beamte und Behörden der Länder erweiterte.

Experten hatten fest damit gerechnet, dass die Schonfrist für Unternehmen kurzfristig abläuft und alle Gesellschaften ab einer gewissen Größe (>50 Mitarbeiter) sich schleunigst um ein sicheres Berichtssystem kümmern müssen, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mögliche Missstände im Unternehmen melden können, ohne Gefahr zu laufen, dafür unter Druck zu geraten und womöglich ihre Stelle zu riskieren.

Wie es nun weitergeht mit dem Gesetzesverfahren, blieb bis Donnerstagabend unklar. SB/dpa-afx

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GoingPublic Redaktion/sb
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