Im Herbst vergangenen Jahres konnte die Immunic AG aus Planegg/Martinsried eine Serie A-Finanzierungsrunde über rund 31 Mio. EUR abschließen – auch im internationalen Vergleich ein beachtlicher Wert. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung von Medikamenten gegen chronische Entzündungs- und Autoimmunerkrankungen spezialisiert und hat mehrere Wirkstoffe in der klinischen Erprobung.

Herr Dr. Vitt, Immunic Therapeutics hat sich auf die Entwicklung von Immun-Modulatoren spezialisiert. Bitte erläutern Sie uns diese Technologie.

Wir entwickeln bei der Immunic AG Medikamente zur Behandlung von chronischen Entzündungserkrankungen und Autoimmunerkrankungen. Das sind beispielsweise chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn. Unsere Therapien greifen hierbei spezifisch an. Insbesondere treffen wir mit unseren Medikamenten sogenannte Th17 Zellen, die maßgeblich in die Entstehung und das Fortschreiten dieser Erkrankungen involviert sind. Damit unterscheiden sich unsere Ansätze von unselektiven Immunsuppressiva wie beispielsweise Azathiopren.

Im Herbst 2016 hatte die 4SC AG ihre Immunologie-Projekte gegen Morbus Crohn und Schuppenflechte an Immunic verkauft. An welchem Punkt der klinischen Entwicklung steht das Unternehmen im Moment?

Nach dem Erwerb der Produkte im September 2016 hat die Immunic AG bereits zügig mit der weiteren Produktenwicklung begonnen. IMU-838 hat mittlerweile zwei Phase 1-Studien erfolgreich abgeschlossen und wir starten gerade eine klinische Phase 2-Prüfung des Medikaments zur Therapie von Colitis Ulcerosa. Die Studie wird in 11 Ländern und über 80 Zentren laufen und es ist geplant, etwa 200 Patienten mit verschiedenen Dosen von IMU-838 oder Placebo zu behandeln. Eine weitere Studie in Morbus Crohn Patienten soll in ca. einem Jahr folgen. Das nächste Etappenziel ist eine Zwischenauswertung der UC-Studie in etwa zwölf Monaten, womit dann auch die Dosierungen für die CD Studie festgelegt werden sollen.

Unser zweites Produkt IMU-366 ist ein ziemlich einmaliger Wirkstoff, der als Zielmolekül einen sogenannten Kernrezeptor mit dem Namen ROR-gamma T hat. Das ist ein Schlüsselschritt in der Reifung der Th17 Immunzellen. Wir konnten die Forschungsphase bereits erfolgreich abschließen und haben einen klinischen Entwicklungskandidaten ausgewählt, der zurzeit die formale präklinische Sicherheitsprüfung durchläuft. Wenn alles so läuft wie geplant, soll IMU-366 noch in diesem Jahr in die klinische Prüfung überführt werden.

Welches Marktpotenzial sehen Sie in diesem Bereich?

Das Marktpotential ist enorm: Es gibt einen sehr großen Bedarf an neuen Therapien, die wirksam und gleichzeitig sicher sind – also möglichst wenige Nebenwirkungen haben – und vor allem auch einmal täglich als Tabletten oral verabreicht werden können. Immerhin handelt es sich um chronische Erkrankungen, und da ist es für die Patienten schon entscheidend, wie gut verträglich ein Medikament ist und ob er sich die Injektionen oder Infusionen von Antikörpern ersparen kann.

Neben Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn ist der Einsatz von IMU-838 natürlich auch im Bereich der Behandlung von Multipler Sklerose interessant. Hier ist die Besonderheit, dass mit Aubagio bereits ein erstes Medikament mit demselben Target DHODH zugelassen wurde. Aubagio  hat sehr vielversprechende Erfolge bei der Behandlung von MS gezeigt und ist daher auch kommerziell sehr erfolgreich. Allerdings hat dieses Medikament einige unschöne Nebenwirkungen, die wir mit IMU-838 bisher nicht gesehen haben und auch nicht erwarten. Wir prüfen gerade, in welchem Umfang wir IMU-838 auch zur Behandlung von MS testen können.

Im September vergangenen Jahres hat Immunic eine Finanzierungsrunde über insgesamt mehr als 31 Mio. EUR abgeschlossen. Wie lange wird dieses Kapital vorhalten? Welche weiteren Kapitalmaßnahmen, inklusive eines Börsengangs, sind mittelfristig denkbar und notwendig?

Die klinische Entwicklung neuer Produkte kostet sehr viel Geld – ist aber im Erfolgsfall auch kommerzielle außerordentlich attraktiv! Wir konnten in unserer ersten Finanzierungsrunde mit 31,7 Mio. EUR auch im internationalen Vergleich bereits sehr viel Geld einwerben und damit einen sehr soliden Investment Case aufstellen. Das Geld wird für Immunic ausreichen, um die Wirksamkeit von IMU-838 in einer Phase II zu zeigen und IMU-366 durch die Phase I zu bringen. Wir sind sehr froh, dass wir ein internationales Konsortium namhafter LifeScience Investoren überzeugen konnten, bei uns einzusteigen. Die Unterstützung durch solche Investoren mit ‚tiefen Taschen‘ ermöglicht uns auch in der mittelfristigen Finanzierung eine große Flexibilität.

Ob Immunic danach eine weitere Runde mit neuen Investoren oder sogar einen IPO macht, wird maßgeblich von den äußeren Bedingungen im Pharmasektor, dem Kapitalmarkt und möglichen Lizenzverhandlungen mit potentiellen Pharmapartnern abhängen.

Ein Blick in die Zukunft: Wo steht das Unternehmen Immunic in den kommenden Jahren? Werden Sie vor allem die klinische Entwicklung eigenverantwortlich weiterführen oder planen Sie eine Auslizensierung?

Immunic ist angetreten, die Wirksamkeit der beiden Leitprojekte in Patienten in den nächsten drei Jahren zu zeigen. Die damit einhergehende massive Wertsteigerung wollen wir und unsere Investoren mitnehmen – was aber natürlich nicht ausschließt, dass wir im Zweifelsfall auch ein überzeugendes Angebot seitens der Pharmaindustrie berücksichtigen könnten – aber das müsste schon wirklich sehr attraktiv sein.

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