Nicht genug damit, daß sich innerhalb von nur 7 Monaten rund 100 Mio. Euro Eigenkapital in der Bilanz der Münchner RTV Family Entertainment AG ebenso in Luft aufgelöst haben wie das Kapital gutgläubiger, vom Image des traditionsbefrachteten Namens „Ravensburger“ und der Hoffnung auf die nächste EM.TV-Erfolgsstory geblendeter Anleger. Schon der Abschluß 2001 war, wie sich nun abzeichnet, nur dank eines happigen Forderungsverzichts der HypoVereinsbank ohne größere Negativüberraschungen geblieben. Macht man Forderungsverzichte nicht nur dann, wenn die Fortführung eines Unternehmens auf dem Spiel steht?

Davon war auf der ordentlichen HV im Mai keine Rede. Immerhin erfuhr man, daß die Österreichische Volksbanken AG eine 5 Mio. Euro starke Kreditlinie eingestampft hat. Bestehen da etwa Zweifel an der glänzenden Arbeit des Vorstands? Nun dürfen die Aktionäre das komplette Programm genießen: Sanierungsvorstand, Kapitalschnitt, Barkapitalerhöhung.

Ravensburger bringt zwar Erweiterungsanträge zur Tagesordnung ein, in denen der Kapitalschnitt heftiger ausfällt als ursprünglich von der wohlkontrollierten Verwaltung geplant, ist aber nicht bereit, die Durchführung der vom Vorstand als überlebensnotwendigen titulierten Kapitalerhöhung offiziell sicherzustellen. Wie drastisch sich doch die Welt innerhalb von nur zehn Tagen verändern kann, denn so groß ist das Zeitfenster zwischen der HV-Einberufung durch den Vorstand und der letzten Möglichkeit, als Großaktionär weitere Beschlußfassungen zu beantragen. Auch die Deutsche Bank, die als Übernehmer der neuen Aktien zwecks Verteilung an zeichnungswillige Altaktionäre auserkoren war, hat ihr Mandat wenige Tage vor der HV abgesagt.

Die Ravensburger scheinen sich einen Platz in den schwarzen Annalen der deutschen Aktienkultur sichern zu wollen, denn die jungen Aktien sollen keine Börsenzulassung erhalten. Welcher durchschnittliche Aktionär einer börsennotierten, in ihrem Bestand gefährdeten AG ist bereit, weiteres Geld auf den Tisch eines Vorstands zu legen, der in letzter Zeit mehr Informations-Nebelkerzen gezündet hat als wirtschaftliche Feuerwerke, wenn er dafür eine weitere, depotgebührenpflichtige Gattung Aktien ins Depot bekommt, die er noch nicht einmal an der Börse handeln kann?

Nach Abwicklung der beschlossenen Kapitalerhöhung bestünde das Grundkapital von RTV zu 75 % aus unnotierten Aktien. Gleichzeitig werden die Aktionäre jedoch unter der impliziten Drohung, auch die letzten 11 Cent Marktwert je Aktie per Insolvenz zu verlieren, zum Nachschuß „eingeladen“.

Vielleicht kann RTV durch die Verwertung der Rechte an satirereifen HV-Beschlüssen zusätzliche Umsatzerlöse erwirtschaften?

Die GoingPublic Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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