TVM Capital ist zurück in Deutschland und wird wieder verstärkt in Erscheinung treten. 2010 hatte die veränderte Investorenbasis eine Verstärkung der Aktivitäten in Montreal und Dubai erfordert. Seither war es in Deutschland etwas ruhiger um den renommierten Beteiligungsfonds geworden, obwohl im Ausland kräftig investiert und erfolgreich verkauft wurde. Pünktlich zum 30-jährigen Jubiläum haben Dr. Hubert Birner und das Life Science-Venture-Team neue Büroräume in der Münchner Innenstadt bezogen und die Fokussierung auf den europäischen Markt verstärkt. 

GoingPublic: Herr Dr. Birner, Mitte August haben Sie mit dem Fonds TVM Life Science Ventures VII in FAAH Pharma investiert, im Mai in PRCL Research, beide aus Montreal. Was zeichnet diese Unternehmen aus?
Birner: Beides sind hochinnovative Unternehmen, die mit einem Produkt einen großen Markt adressieren. FAAH arbeitet an der Linderung neuropathischer Schmerzen, PRCL hat einen neuen Ansatz gegen Psoriasis entwickelt. Beides sind Spin-outs börsennotierter US-Unternehmen – Infinity und Synta Pharmaceuticals –, die einen hohen Kapitalaufwand für ihre eigenen Phase-III-Produkte haben und die von uns finanzierten Ausgründungen finanziell nicht unterstützen werden. Durch die Zusammenarbeit mit uns ermöglichen sie den Ausgründungsteams die Entwicklung eines innovativen Produktes mit Blockbusterpotenzial in Zusammenarbeit mit unserem Entwicklungspartner Chorus, einer Tocher von Eli Lilly & Company. So partizipieren sie am möglichen Erfolg. Als Hauptinvestor finanzieren wir die Phase IIa im Rahmen einer kapitaleffizienten Projektfinanzierung. Man kann es sich heute nur noch in seltenen Fällen leisten, große Biotechunternehmen zu bauen, die 80 bis 100 Mio. EUR bis zum Exit benötigen.

GoingPublic: Sie haben zuletzt einige Jahre in Kanada verbracht und dort die Life-Science-Aktivitäten von TVM Capital aufgebaut. Wie würden Sie die dortige Szene mit der deutschen vergleichen?
Birner: Es gibt viele Parallelen, z.B. die hohe staatliche Förderung für innovative Technologien. Was es dort leider ebenfalls nicht gibt, ist eine breit aufgestellte Beteiligungsszene. Kanada ist zwar das zweitgrößte Land der Erde, hat aber nur 35 Mio. Einwohner. Der Markt ist klein und fokussiert auf die Metropolen Toronto und Montreal. Wir sind inzwischen der größte VC-Anbieter dort, beobachten aber eine wachsende Szene erfolgreicher Biotechunternehmern, die heute auch als Investoren auftreten, z.B. die Familien Goodman oder Bellini. Wenn es um Exit-Möglichkeiten, Käufer und IPOs geht, schielen aber auch die Kanadier in Richtung USA.

Dr. Hubert Birner
Dr. Hubert Birner

GoingPublic: Apropos Exit, mit den IPOs von Enanta Pharmaceuticals (März 2013), bluebird bio (Juli 2013), Argos Therapeutics und Concert Pharmaceuticals (beide Februar 2014) sind Ihnen in den letzten 18 Monaten gleich vier IPOs gelungen. Wie haben sich die Unternehmen seither an der Börse entwickelt?
Birner: Die Firmen haben nicht nur den Wert gehalten, sondern mit dem beim IPO eingesammelten Geld signifikante Meilensteine erreicht. Die Kurse von Enanta und bluebird haben sich fast verdoppelt und sind jeweils knapp 1 Mrd. USD wert. Argos und Concert haben sich trotz Ende der Lockup-Periode auch gut gehalten und sind jeweils rund 200 Mio. EUR wert. Wir sind an allen Unternehmen noch signifikant beteiligt, haben aber Teilexits realisiert, da die Investments teils schon lange im Portfolio sind, Enanta z.B. seit 1998. Bei all diesen Unternehmen waren wir bereits Investor in der A-Runde.

GoingPublic: Warum sind Life-Science-IPOs in den USA voll im Trend – auch bei europäischen Investoren –, nicht jedoch in Deutschland?
Birner: Mit den IPOs aus der ersten Welle haben die Investoren gutes Geld verdient und ich erwarte im Herbst weitere Börsengänge. Es gibt dort wieder eine Szene von 17 bis 20 finanzstarken Investoren, die in IPOs investieren. Viele Investmentbanken haben wieder Analystenteams und stellen den Marksupport sicher. Diese Szene haben wir in Europa nicht mehr. Hier fallen mir vielleicht HBM oder BB Biotech ein. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass es auch hier wieder IPOs geben wird, in erster Linie von marktnahen Unternehmen. Noch weiß ich aber nicht, woher Kapital aus Europa für solche Börsengänge kommen soll – und auch ich würde eher mit einem deutschen Biotech-Unternehmen in den USA an die Börse gehen.

GoingPublic: Sie sind zurück nach München gezogen. Sehen Sie neue Chancen in Ihrer Heimat?
Birner: Meine Intention ist es, hier wieder eine aktive Rolle im Life-Science-Sektor zu spielen. Wir denken auch darüber nach, einen Fonds speziell für Deutschland aufzulegen. Wir haben hier so gute Technologien, u.a. aus den diversen Forschungszentren, aber eine zu kleine Investorenszene. Aktiv sind in erster Linie die Family Offices der in der Szene bekannten Milliardäre. Ich bin ganz klar zurückgekommen, um hier etwas voranzubringen.

GoingPublic: Auf welche Companies setzen Sie in Deutschland im Vergleich zu Kanada und Dubai: Wie unterscheidet sich Ihre internationale Investitionsstrategie?
Birner: Wir setzen in Deutschland wie in Kanada aufgrund mangelnder Co-Investoren auf Projektfinanzierungen, wie wir sie aktuell mit unserem Fonds TVM Life Science Ventures VII erfolgreich betreiben. Man kann eine Phase 2a mit etwa 15 Mio. USD finanzieren. 80% gehen ins Projekt und nur 20% in den Overhead, früher war das komplett anders herum. Die Vergütung der handelnden Personen findet noch mehr als früher über erfolgsabhängige Komponenten statt. In Dubai adressiert Dr. Schühsler mit seinem Team das Thema Healthcare Private Equity.

GoingPublic: Sehen Sie weitere interessante Märkte?
Birner: Ich glaube sehr stark an die Märkte im Osten. Wir schauen mit wachen Augen nach Russland und nach China. Beide Länder haben großes Vertrauen in Deutschland. Wir tun uns dort leichter als die Amerikaner. München ist ein sehr guter Standort, um in diesen Märkten aktiver zu werden.

GoingPublic: Herr Dr. Birner, vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Matthias Renz

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