Trends im LifeScience Recruiting – Experten-Talk

Dilsâd Babayigit im Gespräch mit Georg Kääb

Bildnachweis: ageneo lifesciences.

Dilsâd Babayigit hat vor über zehn Jahren die auf Biotechnologie, Pharmazeutische Industrie und Medizintechnik spezialisierte Personalagentur ageneo Life Science gegründet. Sie ist seit 18 Jahren in der Recruiting-Branche aktiv und bietet mit ihrem Team neben der Rekrutierung in den Bereichen Festanstellung und Projekt-Consulting (Freelancer-Vermittlung) ein breites Angebot an Services zur Personal- und Unternehmensentwicklung an.

Plattform Life Science: Das Buzzword der LifeSciences ist derzeit „Künstliche Intelligenz“, wie wirkt sich das auf die Fachkräftesuche aus?

Dilsâd Babayigit: Ganz neu ist das Thema natürlich nicht, hat aber wie die meisten digitalen Themen durch die Corona-Krise sicher noch weiter an Sichtbarkeit dazugewonnen. Auch wenn uns andere Industriesegmente beim Thema KI schon deutlich voraus sind, spielt das Thema auch in den Life-Sciences schon jetzt eine zentrale Rolle. Big Data, Machine Learning und KI kommen bereits jetzt vielfältig zum Einsatz – und wir stecken da noch in den Kinderschuhen… Auf die Fachkräftesuche hat das insoweit eine Auswirkung, als es eben einen deutlichen Shift hin zu mehr Personalanfragen aus den Bereichen IT, Digitalisierung, Machine Learning, KI und Automation gibt und auch weiter geben wird. Auf diesen Gebieten konkurrieren Life-Science Unternehmen allerdings nicht mehr vorrangig mit ihren direkten Wettbewerbern, sondern auch mit vielen anderen Branchen – und zuvorderst der Tech- und IT-Branche selbst.

PLS: Haben es größere Firmen in dem Bereich einfacher, oder sind KI-Experten von Hause aus lieber im startup-Dunstkreis unterwegs?

Dilsâd Babayigit: Ich tue mich immer schwer mit generischen „entweder oder“-Aussagen. Wie in jedem Fachbereich ist es auch im KI-Umfeld eine Frage des Typs, ob ich eher bei Google oder Microsoft lande, oder meine Berufung in einem absolut vielversprechenden Start-Up sehe. Einen kleinen Vorteil mögen die Start-Ups in unserem Marktsegment aber haben: Wenn ich mich zwischen Google oder einem Pharmakonzern für eine KI-Rolle entscheiden muss, ist Google schlicht die progressivere Option; wir hinken hinterher. Deshalb kooperieren schon heute so viele der großen Pharma-Unternehmen mit kleinen KI-Firmen.

„LifeSciences steckt hier noch in den Kinderschuhen“

PLS: Gibt es eigentlich ein Patentrezept für die erfolgreiche Stellenbesetzung?

Dilsâd Babayigit: Nein. Aber es gibt Schlüsselfaktoren, die eine Stellenbesetzung wesentlich wahrscheinlicher machen:

1. Klarheit darüber, wen und was man eigentlich sucht.
Das klingt banal, ist aber einer der Hauptgründe, warum Besetzungen scheitern.

2. Klarheit darüber, wofür man diese Person sucht.
Auch das klingt banal und geht mit 1. einher; wenn ich allerdings als Hiring Manager meine/n Kandidat*Innen nicht vermitteln kann, wo die Reise hingeht und was sie hier tun werden, ist das ganze zum Scheitern verurteilt.

3. Eine gute Story.
Der Recruitingmarkt ist seit Jahren ein sogenannter „Kandidatenmarkt“. Es gibt mehr Personalbedarf, als frei verfügbare Kandidat*Innen. Entsprechend können letztere sich aussuchen , wo und für wen sie arbeiten möchten. Ohne überzeugende „Story“ wird es schwer, Menschen für sich zu begeistern.

4. Ein guter, schneller Prozess.
Dauert der Prozess zu lange, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Top-Kandidat*Innen abspringen oder schon anderweitig untergekommen sind. Man nimmt sich die Chance, die „Besten“ zu bekommen.

PLS: Kleine Firmen wachsen schnell, Personal-Strukturen wachsen langsamer – wie kriegt man die Balance ins Unternehmen?

Dilsâd Babayigit: Das ist ein besonders spannendes Thema! Wir erleben häufig, wie genau dieses Phänomen auftritt: Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, wenn die Strukturen das Wachstum nicht mehr halten und es einen schmerzlichen Einbruch gibt, ehe es dann wieder bergauf geht. Dieser Einbruch bedeutet meist zweierlei: zeitlicher Verzug/Rückschritt durch die Schaffung und Korrektur von Strukturen und Prozessen, Abgang von qualifiziertem Personal. Dies kann man vermeiden, wenn man frühzeitig vorausplant und die ganze Organisation auf diesen Transformationsprozess einstellt. Das Buzzword „Change“ wird zwar oft überstrapaziert, meist denkt man dabei an Restrukturierung, M&A Prozesse, strategische Neuausrichtung usw. Dass aber ein starkes Wachstum auch ein sehr herausfordernder und transformativer Prozess ist, wird oft außer Acht gelassen. Im Grunde genommen müsste man auch diesen – eigentlich sehr positiven – Prozess wie einen Change-bzw. Transformationsprozess angehen, mit der zugehörigen Kommunikation etc.

„Vertrauensbildende Maßnahmen ‚auf die Distanz‘ sind weit schwieriger umzusetzen“

PLS : Einstellung in Corona-Zeiten – alles digital, aber funktioniert das auch?

Dilsâd Babayigit: Es funktioniert. Allerdings ist seit jeher bekannt, wie wichtig Vertrauen für eine gute Performance und den (auch langfristigen) Erfolg von Organisationen ist (Paul J. Zaks Schriften sind dazu immer einen Blick wert, Zak ist ein sehr renommierter Neuro-Ökonom). Vertrauensbildende Maßnahmen „auf die Distanz“ sind weit schwieriger umzusetzen, als face-to-face. Es bedarf einer größeren Anstrengung der Führungskräfte, Vertrauen in virtuellen Teams zu schaffen und damit die Basis für eine exzellente Performance zu schaffen; da hierfür oft das Bewusstsein (und auch die Zeit) fehlen, sehe ich eher mittel- bis langfristig Schwierigkeiten auf uns zukommen, wenn wir nicht wieder wegkommen vom Thema „alles“ digital. Wie so oft: Das Maß macht’s.

PLS : Vielen Dank hierfür! Fortsetzung folgt…

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