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Das Jahr 2023 begann mit einem zähen Dealflow bei Unternehmensfusionen und Akquisitionen (M&A). Die Prämien befanden sich auf einem historisch niedrigen Niveau und Deckungen wurden ausgeweitet. Doch der Investitionsdruck wächst. 

Wirtschaftliche Unwägbarkeiten und gestiegene Zinsen haben für einen Dämpfer im M&A-­Geschehen gesorgt: Laut WTW Quarterly Deal Performance Monitor wurden im ersten Halbjahr 2023 international nur 280 Transaktionen im Wert von mehr als 100 Mio. USD abgeschlossen, verglichen mit 441 im gleichen Zeitraum 2022 (Abb. 1). Das entspricht einem Rückgang von 37%.

PE-Gesellschaften noch gebremst

Insbesondere Private-Equity-Gesellschaften fahren nach wie vor mit angezogener Handbremse. Das zeichnet sich u.a. im ­Bereich Real Estate besonders ab: In der Hoffnung, dass die Zinsen erneut fallen könnten, warten Käufer mit Investitionen, während Verkäufer auf hohe Preise setzen. Investoren sind nicht bereit, diese zu zahlen oder durch teure Kredite fremdzufinanzieren. Außerhalb des Real-Estate-Bereichs kommt hinzu, dass Portfoliounternehmen aufgrund der herausfordernden Marktlage (Inflation, Zinsniveau, beeinträchtigte Lieferketten, Personalmangel und Nachwirkungen der Pandemie) ebenfalls Unterstützung benötigen.

Doch nicht alle Marktteilnehmer agieren zurückhaltend. Bei Transaktionen zwischen Unternehmen waren einige größere Deals zu verzeichnen. Private-Equity-Firmen werden ebenso bald den ersten Schritt ­wagen und ihre Fondsgelder investieren müssen. Für viele Portfoliofirmen rückt der Zeitpunkt des Exits näher, Kapitalgeber ­erwarten die versprochene Rendite und wollen die Erträge reinvestieren.

Auf und Ab spiegelt sich bei M&A-Versicherungen

Der stockende Übernahmemarkt wirkt sich direkt auf den M&A-Versicherungsmarkt aus. Aufgrund seiner im Verhältnis zum gesamten Versicherungsmarkt geringen ­Größe – lediglich ca. 30 Anbieter sind in Deutschland vertreten – reagiert der Ver­sicherungszweig innerhalb weniger Wochen auf das Wirtschaftsgeschehen. Darüber ­hinaus orientieren sich viele Anbieter an einigen wenigen Wettbewerbern und passen sich an deren Vorgehensweise an.

Der M&A-Rückgang im zweiten Quartal führte deshalb in der Warranty-and-Indemnity-(W&I-)Versicherung zu historisch niedrigen Prämien. Versicherer haben selbst kleinere Deals in der Größenordnung von 50 Mio. EUR und weniger gerne versichert und weiteten die Deckungspositionen zunehmend aus. Doch nach einigen größeren versicherten Transaktionen reduzierte sich der Risikoappetit der Versicherer wieder leicht und sie wurden zurückhaltender im Under­writing. Nichtsdestoweniger befinden sich die Prämienraten weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau und auch die recht weite Deckungs­position wird stabil bleiben. Organi­sationen können diese günstigen Bedingungen jetzt für sich nutzen und durch Risiko­minderung potenziell den Dealflow ankurbeln.

Günstiger Zeitpunkt, Deals ­abzusichern

Bei M&A-Deals liegt das Risiko sowohl auf Käufer- als auch Verkäuferseite. Nur durch eine Versicherung lässt sich das Risiko auf einen Dritten übertragen und ein sogenannter Clean Exit vollziehen. Vor allem die W&I-Versicherung hat sich deswegen als Klassiker etabliert und schützt vor den finanziellen Risiken aus möglichen Garantieverletzungen aus dem Kaufvertrag.

Versicherungsnehmer können sich jetzt eine breite Deckung zum günstigen Preis sichern. Der hohe Wettbewerb unter den Anbietern bewegt die Versicherer außerdem dazu, Nischen zu besetzen: Sie spezialisieren sich auf bestimmte Industrien, Transaktionsarten, Assets oder Dealgrößen. Somit bekommen Deals aller Transaktionsgrößen Aufmerksamkeit und nicht mehr nur jene ab 100 Mio. EUR.

Wichtig für eine umfassende Risikodeckung durch die Versicherung ist der Prozess der Due Diligence (DD). Hierbei sind alle wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Risiken zu erfassen – doch Vorsicht: Eine umfassende DD geht mit nicht-unerheblichen Beratungskosten einher. Aufgrund dessen wird bei Distressed-Transak­tionen (Verkauf von insolventen oder in Schieflage geratenen Unternehmen) seltener eine W&I-Versicherung abgeschlossen, denn typische Distressed-Investoren kalkulieren häufig nur mit geringen DD-Kosten, sodass der Prüfungsaufwand nicht den Anforderungen einer W&I-Versicherung entspricht.

Nächste Hochphase in Sicht?

Viele Experten erwarten zwar im Verlauf des zweiten Halbjahres 2023 eine Trendwende – und damit wieder einen Anstieg der M&A-Aktivitäten. Ob diese aber tatsächlich eintritt, ist nicht vorhersehbar. Die Entwicklung der vergangenen Jahre lässt zumindest darauf hoffen: Auf den durch die Pandemie ausgelösten Markteinbruch 2020 (647 Fusionen und Übernahmen) folgte das unvorhergesehene Rekordjahr 2021 mit 1.047 Transaktionen im Wert von über 100 Mio. USD (laut WTW Quarterly Deal Perfomance Monitor). Dieser Boom führte zu einer leichten Verhärtung am M&A-Versicherungsmarkt, bei der die Prämien angestiegen sind und auch die Underwritingkapazitäten dem Ansturm nicht mehr gewachsen waren.

Bei einem erneuten derart steilen Anstieg der M&A-Aktivitäten ist nicht auszuschließen, dass sich dieser Zyklus wiederholt. Doch der M&A-Versicherungsmarkt ist sehr volatil. Selbst wenn eine Hartmarktphase eintritt, dauert sie im Gegensatz zu anderen betrieblichen Versicherungssparten meist nur wenige Monate.

Geänderte Versicherungsbedingungen

Aufgrund von Einzelschadenerfahrungen in der jüngeren Vergangenheit bieten einige größere Versicherer bereits nur noch niedrigere Limite pro Deckungsabschnitt an. In den USA ist das ohnehin Standard, nun sind auch die europäischen Niederlassungen davon betroffen. Versicherer wollen ihre Risiken dadurch besser verteilen, wenn auch ihr Risikoappetit weiterhin unge­brochen ist. Für Unternehmen bedeutet dies, dass ggf. eine größere Anzahl von Versicherern erforderlich ist, um ein einzelnes größeres Risiko zu decken.

Auch im Bereich der Zusatzoptionen ist Bewegung entstanden. Beispielsweise kann die W&I-Deckung umfassender sein als im Kaufvertrag vereinbart. Es besteht die Möglichkeit, die Beschränkung auf subjektive Kenntnis der einzelnen Garantien zu löschen. Dadurch deckt die Police eine ­objektive Garantie ab, obwohl diese im Kaufvertrag noch subjektiv qualifiziert ist. Weiterhin ist bei den Risikoausschlüssen Entspannung zu beobachten. Je nach Zielunternehmen und Industrie können Unternehmen einige Ausschlüsse wegverhandeln, die vor einigen Monaten noch als „harte Ausschlüsse“ galten.

Fazit

Die M&A-Marktteilnehmer werden sich auf beiden Seiten früher oder später in Bewegung setzen müssen. Dazu braucht es eine realistische Preisvorstellung der Verkäufer und den Mut der Käufer, eine Transaktion in der noch undurchsichtigen Wirtschaftslage abzuschließen. Mit einer umfassenden, guten Beratung und auch der richtigen Versicherungslösung gelingt dies in ­jedem Fall besser.

Autor/Autorin

Robert Engels

Robert Engels ist Leiter M&A DACH im Geschäftsbereich Corporate Risk & Broking bei WTW. In dieser Funktion berät er vor allem bei Private-Equity- und Corporate-M&A-Transaktionen in allen Branchen. Bevor er 2019 zu WTW kam, leitete er die M&A-Beratungsteams bei zwei internationalen Versicherungsmaklern in der DACH-Region.

Janin Kauffmann

Janin Kauffmann ist Director M&A DACH, Corporate Risk & Broking bei WTW und leitet dort die M&A Insurance Practice. Bevor sie 2018 bei WTW startete, zeichnete sie fast fünf Jahre lang M&A-Risiken für alle europäischen Jurisdiktionen in allen Indus­trien für zwei internationale M&A-Ver­sicherer.