Individuell auf Patienten zugeschnittene Behandlungskonzepte stellen eines der vielversprechendsten Zukunftsfelder in der Medizin dar. Wie so oft besteht auch hier die große Herausforderung darin, die Konzepte aus der grundlagenorientierten Forschung erfolgreich in die Entwicklung neuer Arzneimittel zu überführen, innovative Behandlungsverfahren klinisch zu erproben und für alle Patienten zugänglich zu machen. Das Mainzer Spitzenforschungsinstitut Translationale Onkologie, TRON, entwickelt neue Plattformen für personalisierte Therapiekonzepte und Biomarkerforschung und hat sich zur Aufgabe ­gemacht, in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit industriellen und klinischen Partnern die Translation von ­Forschungsergebnissen in die Arzneimittelentwicklung aktiv voranzutreiben. Von Dr. Goran Martić

Spezialisiert auf Krebsimmunologie und Genomik identifizieren und ­charakterisieren die Forschungs­teams im TRON krankheitsrelevante ­molekulare Zielstrukturen, erforschen ­immunologische Mechanismen und untersuchen die Möglichkeiten der therapeu­tischen Modulation des Immunsystems.

Abb. 1: Von Patientenmaterial zur Identifizierung von immunogenen Mutationen
Abb. 1: Von Patientenmaterial zur Identifizierung von immunogenen Mutationen

Individualisierte Medizin

Die individualisierte Medizin, bei der ­jeder Patient ein eigens für ihn hergestelltes ­Medikament erhält, besitzt großes Potenzial, die Wirksamkeit der Behandlung zu erhöhen und somit die Heilungschancen deutlich zu verbessern. Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Anwendung dieses Ansatzes ist die Identifizierung und Charakterisierung neuartiger Biomarker als Schlüsselinstrument für die Erstellung personalisierter Behandlungspläne – hier liegen die Forschungsschwerpunkte des Instituts.

Die erfolgreiche Entwicklung und ­Etablierung der „Next-Generation-Sequencing“ (NGS)-Technologie als RNA- und DNA-­basierte Hochdurchsatz-Plattform erlaubt heute schnelle und umfassende Trans­kriptom- und Genomanalysen aus Patientenproben. Die Forscher im TRON haben die Erfahrung gemacht, dass umfassende und präzise Genomanalysen oftmals durch die schlechte Qualität oder die nur geringfügige Menge der verfügbaren ­Patientenproben erschwert werden. In der Folge wurden Methoden der Genomanalytik und bio­informatischen Auswertung entwickelt oder optimiert, um die in dem klinischen Routinebetrieb verfüg­baren Proben für ­umfassende Trans­kriptom- und Exom­analysen nutzbar zu machen. Diese ­Kompetenzen sind in Form qualitäts­kontrollierter Prozesse im TRON implementiert und stehen für ­klinische Biomarkerstudien zur Ver­fügung.

Die Sequenzierung von Tumorproben generiert eine große Menge Daten, die ­innerhalb weniger Tage ausgewertet ­werden, um geeignete Zielstrukturen für Präzisionsarzneimittel zu bestimmen. Dies geschieht mittels einer im TRON ­entwickelten integrierten Datenanalyse-Plattform, die diverse Algorithmen und Softwarelösungen für die Datenauswertung zusammenführt und biostatistische Analysen sowie eine schnelle Interpre­tation der Befunde ermöglicht. Dies ­beinhaltet sowohl optimierte Lösungs­ansätze für Datenauswertung (Gen­expression, Mutationsdetektion, Geno­typing) als auch ­biostatistische ­Methoden für Biomarker-Identifikationen in prospektiven klinischen Studien beziehungsweise die Analyse von Proben in Kohortenstudien.

Weitere Werkzeuge ermöglichen computergestützte HLA-Typisierungen sowie umfassende T-Zell-Rezeptor (TZR)-Analysen aus Patientenblut und Gewebematerial. Daneben verfügt TRON über bioinforma­tische Standardwerkzeuge für die Systembiologie (gene set enrichment, pathway analysis) und Genomanalytik und bietet dieses Instrumentarium auch im Rahmen von Kooperationen an.

Entwicklung neuer immuntherapeutischer Plattformen

TRON ist in Funktionseinheiten unterteilt, in denen Wissenschaftler aus verschiedenen Forschungsrichtungen und Disziplinen, technische Experten und Doktoranden an definierten medizinischen, biologischen, bioinformatischen oder technologischen Fragestellungen arbeiten. Die Durchführung anwendungsorientierter Forschungspro­jekte erfolgt in transdisziplinärer Zusammen­arbeit im Rahmen eines qualitätsgesicherten Umfeldes und wird von ­einem dedizierten Projektmanagement unterstützt. Die Ausstattung von TRON mit einem breiten Spektrum spezialisierter Analysegeräte, ­automatisierten Robotik-Plattformen und ­einer tierexperimentellen Infrastruktur ­ermöglicht die Entwicklung neuer immuntherapeutischer Ansätze bis hin zum prä­klinischen wissenschaftlichen und technischen „Proof of Concept“ (PoC). Neben den gängigen In-vivo-Imaging-Methoden und analytischen Geräten greift das TRON für seine Forschungsprojekte auch auf ein X-Ray-System für Kleintier-Irradiation zurück. Mit Hilfe einer breiten Palette an ­syngenen und Xenograft-Tumor-Maus­modellen ­werden verschiedene hochaktu­elle Forschungsthemen bearbeitet.

Von besonderer Bedeutung ist die ­Arbeit von TRON im Bereich Immuno­monitoring, das sowohl in der Forschung als auch für klinische Studien zum Einsatz kommt. Dabei können beispielsweise ­spezifische Zelltypen mittels Durchflusszytometrie identifiziert werden. Von ­Kooperationspartnern kann diese Expertise für Assay- und Zell-Analyse-Panel-­Entwicklungen genutzt werden, wobei sie auf die Erfahrung unter GCP-Umgebung zurückgreifen können.

Zum Autor

Dr. Goran Martic

Dr. Goran Martić leitet im TRON das Scientific Alliance Management und koordiniert die Öffentlichkeitsarbeit sowie das PhD-Programm. Als Projektmanager betreute er u.a. industrielle Forschungsaufträge und öffentliche Verbundprojekte im Bereich der individualisierten Immuntherapie. Dr. Martić studierte Biologie an der LMU München und war als Wissenschaftler am NIMR in London und am MGH/HMD in Boston, USA, tätig.

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