Die Plazierung
Bis einschließlich 18. Mai können die Aktien von Wincor Nixdorf (WKN: A0CAYB; ISIN: DE000CAYB2; Börsenkürzel: WIN) in einer Preisspanne von 41 bis 50 Euro je Aktie gezeichnet werden. Die Erstnotiz ist für den 19. Mai vorgesehen. Zum Bankenkonsortium gehören Deutsche Bank und Goldman Sachs als gemeinsame Konsortialführer sowie Commerzbank, Dresdner Bank, UBS, Cazenove, DZ BANK und WestLB.

Das Angebot umfaßt knapp 2,5 Mio. Aktien aus einer Kapitalerhöhung sowie bis zu 5,8 Mio. Aktien von den abgebenden Aktionären. Davon stammen bis zu 4,3 Mio. Aktien aus dem Besitz mehrerer Fonds der Private Equity-Gesellschaft Kohlberg Kravis Roberts und 1,075 Mio. Aktien aus dem Bestand mehrerer Goldman Sachs-Fonds. Bemerkenswert ist, daß immerhin 222 Mitglieder des Managements von Wincor Nixdorf sich bereits beim IPO von rund 412.000 Aktien trennen. Zudem steht ein Greenshoe von bis zu 1,24 Mio. Aktien, die ebenfalls von Altaktionären abgegeben werden, zur Verfügung. Der Free Float beträgt entsprechend bis zu 50 % bzw. bis zu 57,5 %, wenn der Greenshoe ausgeübt wird.

Auffällig bei der Plazierung ist die Doppelrolle von Goldman Sachs als Konsortialführer und abgebender Aktionär. Denn eigentlich sollte eine Konsortialbank neutral sein und die Interessen von Emittent und Verkäufer sowie Käufer der Aktien auf der anderen Seite ausgleichen. Finanzkreisen zufolge verbietet Goldman Sachs dennoch durch eine sogenannte Research Guideline, daß Emissionsbanken Research der Presse oder der Öffentlichkeit zugänglich machen, und dies, obwohl man selbst Verkäufer ist. Außerdem fällt auf, daß auch mit Zustimmung der Konsortialführer während der sechsmonatigen Lock-up-Frist Aktien verkauft werden können. Auch hierbei sollte die Rolle von Goldman Sachs zumindest kritisch hinterfragt werden, zumal die Investmentbank am deutschen Kapitalmarkt bereits beim IPO von IXOS mit einer solchen Doppelrolle äußerst negativ in Erinnerung geblieben ist. Bei einer derart großen Abgabe von Altaktionären wäre eine klare Lock-up-Regelung – wie bislang üblich – zumindest wünschenswert gewesen.

Das Geschäftsmodell
Wincor Nixdorf fertigt Automaten für Banken, Handel, Hotellerie, Verkehr und öffentliche Einrichtungen. Kerngeschäft sind Geldautomaten, von denen pro Jahr ca. 20.000 Stück produziert werden sowie Kassensysteme. Hauptabnehmer sind Handel und Banken – zwei Branchen, die in den letzten Jahren mit niedrigen Gewinnmargen bzw. Restrukturierungen zu kämpfen hatten. Dennoch konnte Wincor Nixdorf die Ergebnisse in allen Geschäftsbereichen steigern; das Vorsteuerergebnis stieg im letzten Geschäftsjahr um 18 %. Möglich wurde dies u.a. durch eine konsequente Internationalisierungsstrategie und den Ausbau des Dienstleistungs- und Lösungsgeschäftes. Auch das Mitarbeiterwachstum kam vor allem durch Neueinstellungen im Ausland zustande. Aber auch im Deutschlandgeschäft ist selbst in der Sparte Handel seit ca. einem Jahr wieder eine verstärkte Investitionstätigkeit zu beobachten. Dennoch ist bei einem insgesamt nur moderat wachsenden Marktsegment Wachstum nur zu Lasten der Mitbewerber zu erreichen. Nach aktuellen Studien (Marktforschungsunternehmen Clarendon Reports Ltd, UK) konnte Wincor Nixdorf bei Kassensystemen für Handel und Hotellerie in Europa die Marktführerschaft übernehmen; weltweit befindet sich das Unternehmen nach den Mitbewerbern IBM und NCR auf dem dritten Platz.

Der Erfolg resultiert u.a. aus der Vernetzung der Komponenten, der Komplettierung des Angebots und der Erschließung neuer Anwendungsfälle: Die Vernetzung der Software von Geldautomaten und der Internet- bzw. Mobile Banking-Schnittstelle einer Bank verhindert, daß das Konto beispielsweise am Automaten überzogen wird, aber trotzdem online – wegen mangelnder Aktualisierung – ein zweites Mal abgebucht wird. Geldautomaten mit „cash-recycling“-Funktion verringern zudem die Bestückungshäufigkeit und sparen so Betriebskosten. Aber auch die Einführung der „Reverse Vending Machines“ (Rücknahmeautomaten) können Handelsunternehmen ihre komplette Automatentechnik bei Wincor Nixdorf ordern. Automaten dieses Typs werden neben Deutschland insbesondere in Skandinavien nachgefragt; auf anderen Märkten besteht noch Potential.

Weiteres Wachstum will Wincor Nixdorf durch den Ausbau des Kerngeschäfts und die weltweite Expansion generieren. Dabei sind insbesondere die Märkte in den USA, Asien und Lateinamerika anvisiert. Bislang werden in Schwellenländern lediglich 12 % des Umsatzes erzielt. Aber auch neue Segmente wie Tankautomaten-/Tankstellen-Management- und Lotteriesysteme sind Hoffnungsträger des Unternehmens. Preisdruck hingegen – insbesondere durch den Wettbewerber Diebold – verspüren die Paderborner auf dem europäischen Markt.

Geschäftsentwicklung
Wincor Nixdorf konnte in den vergangenen Jahren, trotz negativer gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen, kontinuierlich moderate Umsatzsteigerungen verbuchen. Das Ergebnis konnte dabei überdurchschnittlich gesteigert werden.

 

Geschäftsjahr

2001/02

2002/03

2003/04 (e)

2004/05 (e)

2005/06 (e)

Umsatz

1.345

1.440

1.530

1.613

1.691

EBIT

44,7

57,3

82,7

90,3

98,0

Nettoergebnis

-20,1

14,0

41,7

45,4

51,7

Op. Cash Flow

102,6

107,9

110,9

112,6

118,6

Angaben in Mio. Euro;
Geschäftsjahresende jeweils 31.09.; Quelle: Deutsche Bank, andere Emissionsbanken mit ähnlichen Zahle

Im laufenden Geschäftsjahr 2003/04 (zum 30.09.) entfallen rund 57 % der Umsätze auf den Bereich Banking und 43 % auf den Einzelhandel. Im Bereich Banking sollen Geldautomaten dabei mit 36 % den größten Anteil ausmachen, gefolgt von Dienstleistungen (25 %), Kontoauszugsdruckern (15 %), Software (ebenfalls 15 %) und Upgrades mit 9 %. Im Bereich Einzelhandel sollen 47 % der Umsätze mit Hardware erzielt werden, gefolgt von Dienstleistungen (26 %), Software (15 %), Tankautomaten und Tankstellen-Managementsystemen (6 %) sowie Lotteriesystemen 5 %.

Bewertung
GoingPublic liegen Research-Berichte von sechs der acht Konsortialbanken vor. Besonders auffällig ist zunächst, daß keine Bank die jeweils identische Peer Group identifiziert wie die anderen Konsortialpartner. In der Bankensparte sind die bedeutendsten Wettbewerber NCR und insbesondere Diebold, die beide in den USA börsennotiert sind, und von allen Konsortialbanken als direkte Wettbewerber definiert werden. Im Handelsbereich sind international NCR, aber auch IBM, Fujitsu/ICL und Toshiba/TEC zu nennen.

NCR und Diebold sind größer als Wincor Nixdorf. NCR erzielte im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von knapp 6 Mrd. US-$, Diebold brachte es auf 2,1 Mrd. US-$. Zum Vergleich: Wincor Nixdorf erreichte 1,44 Mrd. Euro. Zudem erzielen die beiden Wettbewerber nur unwesentlich über 50 % ihrer Umsätze im Produktbereich und jeweils knapp 50 % bereits mit Dienstleistungen & Services. Wincor Nixdorf erzielte dagegen noch 61 % des Umsatzes im Produktgeschäft. Zudem sind beide Wettbewerber im Banking-Bereich mit EBIT-Margen von jeweils über 14 % deutlich profitabler als Wincor Nixdorf, die es nur auf 10 % brachten. Aufgrund der Bilanzstruktur (Goodwill aufgrund eines früheren Leveraged Buy-outs und höherer Nettofinanzverbindlichkeiten) errechnet GoingPublic einen Peer Group-Vergleich nicht auf Basis des Enterprise Value (Unternehmenswert), wie dies einige Konsortialbanken tun. Dies stößt bei Analysten auf Kritik, da die höheren Nettofinanzverbindlichkeiten von Wincor Nixdorf das Bild verzerren würden. Wir berechnen den Vergleich daher auf Basis von KGV und KUV.

Der am besten mit Wincor Nixdorf vergleichbare Wettbewerber Diebold ist aktuell mit einem 2004er KGV 16 und einem KUV von 1,65 bewertet, hat jedoch durchweg bessere Margen als die Paderborner. NCR bringt es auf ein KGV von 27 und ein KUV von 0,7. Berücksichtigt werden sollte ebenfalls, daß US-Aktien deutlich höhere Multiples aufweisen als europäische und deutsche Aktien. So sind MDax-Werte im Durchschnitt aktuell mit einem KGV von knapp 12 bewertet, S&P 500-Werte hingegen liegen bei einem Wert von knapp 16. Basis sind dabei jeweils die für 2005 erwarteten Gewinne.

NCR (US-$)

Diebold (US-$)

Wincor Nixdorf (Euro)*

Umsatz 2003 (in Mio.)

5.598

2.110

1.440

EBIT-Marge (Banking)

14,4 %

14,6 %

10,1 %

KUV

0,7

1,65

0,47 bis 0,57

KGV

27

16

16 bis 20

Bei 16,5 Mio. Aktien und einer Preisspanne von 41 bis 50 Euro, Basis für die Berechnung von KUV und KGV sind die Zahlen für das GJ 2003/04.

Fazit:
Bei Wincor Nixdorf überzeugen insbesondere die kontinuierlichen Wachstumsraten der vergangenen Jahre trotz negativem konjunkturellem Umfeld. Die von den Konsortialbanken erwarteten Wachstumsraten sind daher absolut realistisch und nachvollziehbar. Positiv ist zudem anzumerken, daß die Konsortialbanken deutlich unter ihren aus dem Research hervorgehenden Preisvorstellungen bleiben und auch unabhängiges Research bei Wincor Nixdorf zu einem positiven Ergebnis kommt, bis zu einem Preis von 45 Euro zu zeichnen. Bei den fehlgeschlagenen IPO-Versuchen von X-Fab und Siltronic waren unabhängige Analysten deutlich kritischer. Getrübt wird das Bild auch hier von der Plazierungsstruktur. Zudem wäre im Sinne der Erstzeichner insbesondere eine klare Lock-up-Regelung wünschenswert gewesen. Auch die hohe Abgabe des Managements sollte zumindest zum Nachdenken anregen. Bei einem Peer Group-Vergleich insbesondere mit der am besten vergleichbaren Diebold erscheint die Wincor Nixdorf-Aktie nur im unteren Bereich der Preisspanne fair gepriced, wenn das KGV als Entscheidungsgrundlage herangezogen wird. Im Vergleich zu MDax-Werten erscheint die Wincor Nixdorf-Aktie (als möglicher MDax-Kandidat) dabei nicht günstig. Auf Basis der Umsatzmultiples wendet sich das Bild hingegen deutlich zum Besseren. Insgesamt erscheint die Wincor Nixdorf-Aktie nicht als Schnäppchen, so doch aber als solides Langfrist-Investment. Zeichnungsaufträge sollten allerdings im unteren Bereich der Preisspanne limitiert werden.

Christian Schiffmacher

 

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