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Dabei strebt mit der im ostdeutschen Zörbig ansässigen Verbio Vereinigte BioEnergie eine echte Größe der europäischen Biokraftstoffbranche an die Börse: Unter dem Dach der Holding sind die verschiedenen Biodiesel- und -ethanolwerke zusammengefasst, wobei die Biodieselproduktion gegenwärtig mit drei Viertel der Gesamterlöse den Löwenanteil stellt. Bis Mitte Mai noch waren die Produktionsstätten locker untereinander verbunden, bevor es mit den Plänen für einen Börsengang konkreter zu werden begann. Als großindustrieller Hersteller von Biodiesel und Bioethanol steht Verbio in Europa noch alleine dar: CropEnergies konzentriert sich ausschließlich auf Bioethanol, die Ölmühle Hamburg ausschließlich auf Biodiesel. Mit anderen Worten: Verbio ist innerhalb Europas sowohl die Nummer 2 bei der Herstellung von Biodiesel (derzeit 0,4 Mio. Tonnen Jahresproduktion) als auch die Nummer 2 bei Bioethanol (derzeit 0,3 Mio. Tonnen Jahresproduktion).

 

Es zählt, was hinten herauskommt
Weitere Besonderheiten zeichnen Verbio aus. So weigert sich das Unternehmen beharrlich, das in langjähriger Forschungsarbeit gewonnene Know-how – trotz entsprechender Anfragen – in Richtung Fernost zu exportieren. „Ein Technologieexport kommt für uns nicht in Frage“, bekräftigt CEO Claus Sauter gegenüber dem GoingPublic Magazin. „Wir sind keine Anlagenbauer, sondern großindustrieller Biokraftstoffproduzent.“ Sauters Weitsicht zahlte sich bereits in einem anderen Punkt aus: Von Anfang an setzte Verbio auf eine Multi-Rohstoff-Strategie, d. h. gleichgültig, welche Getreidesorte man in die Produktionsanlagen einlaufen lässt, das Ergebnis ist jeweils das gleiche: Biodiesel bzw. Bioethanol. Ist der Preis für Roggen gerade niedrig, so verwendet Verbio eben Roggen – der im Übrigen vor allem im Osten Deutschlands gedeiht. In den mitteldeutschen Produktionsanlagen erzielt man dasselbe Ergebnis dann mit Zuckerrohr, Zuckerrüben oder Weizen. Kurzum: Verbio ist variabel aufgestellt und praktisch unabhängig von Preisspitzen bei einzelnen Rohstoffen.

 

Gutes Geschäft
Lieferanten für die große Getreiderohstoffnachfrage sind die amerikanischen Unternehmen Bunge, Archer Daniels Midland (ADM) und Cargill sowie diverse kleinere Zulieferer aus dem Osten Deutschlands. Kunden dagegen sind praktisch sämtliche Mineralölgesellschaften Europas, für die das Geschäft mit Biokraftstoffen sehr lukrativ ist: Diese kaufen beispielsweise den Biodiesel von Produzenten wie Verbio, verkaufen es an den Tankstellen aber in der Beimischung zum teuren Preis normalen Diesels.

 

Vom Getreideüberschuss zum -defizit
Abhängigkeit dagegen lässt sich nicht leugnen in Bezug auf die Gesetzgebung. In welchem europäischen Land in welchem Jahr nun wie viel Prozent Biokraftstoff beigemischt werden dürfen (oder wie in Deutschland: müssen), durchschaut ein Laie nicht mehr. Sauter dagegen kennt die Regel für jedes Land Europas auswendig. Den ganz großen Boom erwartet er für Anfang 2007: Dann nämlich müssen – mal wieder eine Zwangsverordnung der EU – dem herkömmlichen Benzin 2% Bioethanol untergemischt werden. Das aber wären zusätzliche 700.000 Tonnen Jahresproduktion, die nirgendwo vorhanden sind, wohlgemerkt: zusätzlich. Sauters Prognose für die Zukunft daher: In einigen Jahren wird es von der EU für die Agrarproduktion keine Zuschüsse mehr geben müssen angesichts dieser „Resteverwertung“ in der Herstellung von Biokraftstoffen. Auch Sauter ist klar: Der begrenzende Faktor wird langfristig die Verfügbarkeit der Rohstoffe sein. So müssen nordamerikanische Großproduzenten seit einiger Zeit kleinlaut Getreide aus Brasilien, der Kornkammer der Welt, importieren.

 

Wachstumspläne und Planzahlen
Die Expansionspläne, um von den Wachstumsperspektiven, die sich innerhalb Europas bieten, zu profitieren, stehen. So soll in Kürze ganz Südosteuropa angegangen werden und vielleicht noch Skandinavien – die Schweden beispielsweise wollen bis 2010 gänzlich weg von herkömmlichem Kraftstoff. Die EU-Verordnungen bezüglich der Beimischungsvorschriften tun ihr Übriges, um sehr starke Anreize für die Biokraftstoffbranche zu setzen. Investments von 300 bis 400 Mio. Euro avisiert Verbio daher, um die Produktionskapazitäten innerhalb der nächsten zwei Jahre mal eben zu verdoppeln. Nach einem Umsatz von 284,6 Mio. Euro im letzten Jahr lagen die Erlöse zum Halbjahresstichtag bereits bei 206 Mio. Euro. Mit einem operativen Ergebnis von 27,9 Mio. Euro wurde der gesamte Vorjahreswert von 23,8 Mio. Euro bereits zur Jahresmitte 2006 übertroffen. Skalen- und Synergieeffekte sorgen ab sofort für deutliche Margenausweitungen (14 % EBIT-Marge 2006 gegenüber nur 8 % im Vorjahr). Planmäßig soll bis 2007 der Umsatz auf 565 Mio. Euro gegenüber dem 2005er Wert verdoppelt werden, was ertragsmäßig auf rund 66 Mio. Euro Gewinn hinausliefe (Schätzungen von Dresdner Kleinwort). Die gewählte Emissionsbewertung mit einem 2007er KGV von 16 bis 20 ist unseres Erachtens attraktiv angesichts der enormen Wachstumsperspektiven.

 

Kennzahlen

2005

2006e

2007e

2008e

Umsatz*

284,6

439,0

565,0

773,0

Jahresüb.*

12,0

43,0

66,0

123,0

EpS

0,19

0,68

1,05

1,95

KGV max.**

110,3

30,8

20,0

10,8

*) in Mio., sämtliche Angaben in Euro; Quelle: Dresdner Kleinwort
**) auf Basis der Bookbuilding-Spanne

Börsengang
Die zu investierenden Mittel zur weiteren Expansion sollen aus dem Börsengang kommen, folglich fällt der Kapitalerhöhungsanteil wie erwartet hoch aus (72 % bei Ausübung des Greenshoes). Von der aktuell zu 100 % im Besitz von CEO Claus Sauter und CTO Dr. Georg Pollert (bzw. deren Familien) befindlichen Gesellschaft trennen sich die beiden Gründer anteilsmäßig nur in einem vertretbaren Umfang. Zielsegment ist der Amtliche Markt (Prime Standard), Crédit Suisse und Dresdner Kleinwort fungieren als globale Koordinatoren und Joint Bookrunners, des Weiteren sind LBBW und Sal. Oppenheim im Konsortium. Mit einem Emissionsvolumen von maximal 382 Mio. Euro blieb Verbio unter den ursprünglichen Indikationen, die bei teilweise bis zu 500 Mio. Euro lagen. Nach dem schleppenden Börsenstart von CropEnergies (Ausgabe am unteren Ende, aktueller Kurs unter Emissionspreis) musste jedoch neu gerechnet werden. Wie schwierig die Bewertung angesichts eines Unternehmens in einem sich so dynamisch entwickelnden Markt sein muss, zeigt die anfängliche Fair Value-Spanne der Konsortialbanken: Diese reichten von 1 Mrd. bis zu 2 Mrd. Euro – mit anderen Worten: Eine Konsortialbank schätzte den Unternehmenswert auf das Doppelte dessen des anderen Hauses.

Fazit
Das Wachstumspotential der Branche, wohlgemerkt in Europa, ist nicht zuletzt angesichts der regulatorischen „Incentives“ auf absehbare Zeit hinaus hervorragend und ähnelt dem Anfangsstadium der Solarbranche. Die Ausbaupläne der anderen Anbieter sind indes noch überschaubar, während Verbio schon jetzt von Skaleneffekten profitiert. Verbio hat derweil die Basis gelegt, um davon maximal profitieren zu können. Einmal börsennotiert, wird Verbio mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 1 Mrd. Euro ein attraktives Anlageziel für Nachhaltigkeitsfonds sein. Die vorbörslichen Indikationen lassen auf keinerlei Zeichnungsgewinne schließen – eher das Gegenteil –, so dass eine Zeichnung nach Meinung von GoingPublic nicht ratsam erscheint und ein Kauf vorzugsweise in den ersten Tagen an der Börse, möglicherweise eben unterhalb des Ausgabepreises, erfolgen sollte. Verbio selbst sah CropEnergies ausdrücklich als „Testfall“ für die Biokraftstoff-Branche an – sehr gut möglich, dass man der Südzucker-Tochter also auch in punkto Kursentwicklung kurz nach Börsennotiz wird folgen müssen.

Falko Bozicevic

Verbio – Emissionsparameter

WKN

A0JL9W

Erstnotiz

11. Okt

Zeichnungsfrist

5.-10. Oktober

Bookbuildingspanne

17 bis 21 Euro

MarketCap

1,07 bis 1,32 Mrd. Euro

Marktsegment

Amtlicher Markt

Em.volumen

13 Mio. Aktien aus Kapitalerhöhung,

3,2 Mio. Aktien von Altaktionären; Greenshoe 2 Mio. Aktien

Konsortium

Crédit Suisse, Dresdner Kleinwort,

Sal. Oppenheim, LBBW

Free Float

max. 28,9 %

Internet

www.verbio.de

 

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