Der Kanzler hat 2006 bis 2008 im Visier, der Verkehrsminister dagegen hält einen späteren Zeitpunkt für durchaus annehmbar. Manchmal wird den Politikern in Deutschland ja vorgeworfen, sie hätten keine Visionen, sie verkörperten zu wenig den Aufbruch. Im Fall dieses Börsenganges kann man das nun wirklich nicht behaupten: Angesichts der aktuell vorliegenden Informationen erscheint es überaus visionär, die Bahn in ihrem aktuellen Zustand an die Börse bringen zu wollen. Genau genommen erinnert das Ziel stark an jenes Glühwürmchen, das als Berufswunsch Flutlicht angab.
Ein Going Public, bei dem der Staat Kasse macht, um die ärgsten Etatlöcher zu stopfen, ist nun wirklich nicht das, wovon Anleger träumen. Die Bahn schiebt einen immensen Investitionsstau vor sich her. Wer im alten Rollmaterial über holprige Gleise rumpelt, erhält eine Vorstellung davon. Dem Bahn-Management mag es gelingen, in den kommenden Jahren schwarze Zahlen zu schreiben – doch alle Zahlen sind nur so viel Wert wie die Höhe der Investitionen in Netz, Technik und Rollmaterial.
Besonderes Augenmerk bei allen Börsenkandidaten gilt dem Vertrieb. In diesem Bereich sind die Fehlleistungen der Bahn legendär. Im Prinzip schafft es das Unternehmen seit Jahrzehnten nicht, ein Preismodell zu entwickeln, das auch nur ansatzweise von den eigenen Mitarbeitern vollumfänglich verstanden würde. Vom Kunden soll hier noch nicht einmal die Rede sein.
Allein die Schaffung eines einfachen, transparenten Tarifsystems sowie die Aufarbeitung des Investitionsstaus werden noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, dauern. So lange diese Kernprobleme nicht gelöst sind, kann kaum ein Unternehmen entstehen, das als sexy zu bezeichnen berechtigt wäre. Hinzu kommt die wachsende Konkurrenz der Billigflieger. Selbst bei festem politischen Willen wird es kaum möglich sein, auf dem Wege der Regulation Druck von der Bahn zu nehmen.
Fazit: Die Idee, die Bahn im nächsten Jahr an die Börse bringen zu wollen, war fast schon verwegen. Unter günstigen Voraussetzungen mag das Unternehmen nach 2010 vielleicht in die Nähe der Börsenreife kommen. Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter, beziehungsweise werden noch viele Züge Verspätung haben. Alles andere ist politisches Wunschdenken vor dem Hintergrund riesiger Finanzlöcher.
Stefan Preuß
Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.