Nicht folgen jedenfalls sollte man dem Beispiel eines vermeintlich unterstützungsbedürftigen Studenten, der zwei Sportwagen besaß – einer von beiden war der nicht ganz unauffällige Ferrari Testarossa – aber dennoch den BAföG-Höchstsatz kassierte. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung fanden Finanzbeamte mehrere Hunderttausende an Bargeld und Aktiendepots im Wert von knapp zwei Mio. DM. Spekulationsgewinne hatte er versehentlich verschwiegen…
Vielleicht ein Extremfall, dokumentiert er aber doch die Sorglosigkeit, mit der – sicherlich nicht nur hierzulande – mit dieser Art von Zusatzeinnahmen umgegangen wird. Gerade die letzten zwei oder drei Jahre waren außergewöhnlich gute Börsenjahre, die so manchem Kurzfristanleger ein kleines Zubrot eingebracht haben. Die Freigrenze von 1.000 DM auszuschöpfen fiel dabei bestimmt nicht sonderlich schwer. Nachdem sogar der Bezug von Bonus-Aktien anläßlich der Teilnahme an der zweiten Tranche der Deutschen Telekom steuerpflichtig werden soll, wirkt der Freibetrag geradezu lachhaft. Was also tun, wenn man auf größeren Gewinnen fetter Börsenjahre sitzt und diese bislang in der Steuererklärung – so die verfahrenseigene Bezeichnung – „versehentlich nicht erklärt“ hat?
Nachdem Betriebsprüfer bei Kunden des Brokerhauses AHAG Spekulationsgewinne gewittert hatten, bekamen viele Anleger erst nasse, dann kalte Füße – nicht nur Kunden von AHAG. Für Aktionäre sind vor allem Wertpapierhandelshäuser ohne Banklizenz sowie Vermögensverwalter, aber auch Investmentclubs eine latente Gefahr, da sie nicht dem mehr oder weniger strengen Bankengeheimnis unterliegen. Dieses wurde in den letzten Jahren zwar mehr und mehr perforiert, nichtsdestotrotz bewahrt es viele Spekulationsgewinner noch vor der direkten Enttarnung durch Fahnder.
Die seit kurzem erweiterten Befugnisse von Betriebsprüfern tun ihr Übriges. Mandanten, die im Zuge einer Betriebsprüfung bei Anwälten oder Steuerberatern ins Blickfeld der Prüfer geraten, können mittlerweile durch Kontrollmitteilungen aufgefordert werden, die Herkunft augenscheinlich auffälliger Gelder zu belegen. Daß sich die Betriebsprüfer ab übernächstem Jahr darüber hinaus in das EDV-System der überprüften Unternehmen einloggen dürfen, wird dazu führen, daß demnächst sämtliche Transaktionen auf Privatkontos für die Prüfer nachvollziehbar werden. Sicherlich eine nicht ganz unbedenkliche Entwicklung.
Zweifellos müssen deutsche Finanzbeamte die Möglichkeiten erhalten, massiven Steuersündern auf die Pelle zu rücken. Dies darf aber nicht zu Lasten des Bankgeheimnisses oder Persönlichkeitsschutzes gehen, eine schrittweise Aushöhlung des Bankgeheimnisses ist nicht akzeptabel und wird eher dazu führen, daß kapitalstarke Privatiers oder Institutionelle verstärkt den Weg ins Ausland antreten – vor allem aber ihr Kapital.
Falls alles nichts helfen sollte, bliebe als Vision einer Schreckensherrschaft noch das US-amerikanische Modell. Brokerhäuser melden den Finanzbehörden jährlich die Summe von Geldern aus Aktienverkäufen. Danach obliegt es dem Anleger nachzuweisen, daß den Verkäufen auch adäquate Käufe gegenüberstanden. Gelingt dies nicht, wird schnell deutlich, daß der Investor entsprechende Kursgewinne erzielt haben muß.
Nachgedacht werden sollte hierzulande erst mal über eine angemessene Form der Besteuerung, wie sie ja schon durch die geplante Absenkung der Steuersätze wie auch die Sonderbesteuerung von Kapitaleinkünften im Rahmen der Steuerreform ansatzweise in Angriff genommen wird. Vor allem der Eingangssteuersatz ist von entscheidender Bedeutung, da damit die geringen Einkünfte inklusive der Spekulationsgewinne vieler Kleinanleger besteuert werden. Ob die sehr niedrige Freigrenze von 1.000 DM in der heutigen Zeit überhaupt noch realistisch ist, erscheint mehr als fraglich. Wünschenswert wären folgerichtig eine höhere Freibetragsgrenze im Verbund mit einem angemessenen Steuersatz auf Kapitaleinkünfte – vielleicht würde dies dazu beitragen, Steuersündern einen Teil des Windes aus den Segeln zu nehmen.
Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.