Ist es Untreue, einem Manager Abfindungen und Prämien von 30 Mio. Euro als Dankeschön zuzuerkennen? Waren solche „Golden Handshakes“ üblich für Fusionen mittlerer Art und Güte in der Größenklasse von Mannesmann / Vodafone? Oder sind einfach nur die guten Sitten verletzt worden? Der Neid der Nicht-Beteiligten kocht verständlicherweise hoch bei den Diskussionen über den sachlichen Grund derartiger Sonderzuwendungen für die ehedem nicht am Hungertuch nagenden Spitzenkräfte der Wirtschaft. In Zeiten schrumpfender Nettolöhne und kreisender Pleitegeier findet mancher tiefe Befriedigung in der Aufarbeitung von Exzessen der vergangenen Jahre.
In jedem Fall ist es erstaunlich, daß Top-Köpfe der Deutschland AG sich vor Gericht strafrechtlich verantworten sollen, wie dies die Staatsanwaltschaft Düsseldorf derzeit gegen Ex-Vorstand Klaus Esser und, völlig neu in unserem Rechtssystem, einige Aufsichtsratsmitglieder vorbereitet. Ungeachtet der Frage von Schuld oder Nichtschuld: Eine völlig neue Dimension wird hier eröffnet, denn kaum jemand galt bis zuletzt als so unangreifbar wie Vorstände von Großkonzernen und deren Aufsichtsorgane. Mit den Haffa-Brüdern bei EM.TV oder Bodo Schnabel bei ComRoad zerrte man ja nur ein paar vergleichsweise kleinere Fische aus dem Neuen Markt vor den Kadi.
Doch nun ein Gewerkschaftsboss vor Gericht? Schon als Herr Steinkühler die Ausprägung seiner gemeinwirtschaftlichen Gesinnung beim Umgang mit vertraulichen Aufsichtsratsinformationen bei der Mercedes Holding bewiesen hatte, ahnte man, daß gewisse Leute per definitionem nichts Unrechtes zu tun im Stande sind. Und ein Deutsche Bank-Vorstand auf der Anklagebank? Ein Sakrileg schlechthin!
Bis kürzlich mußte man annehmen, daß egal, wie mit Anlegergeld umgegangen wird, zumindest kein Vorstand und schon gar kein Aufsichtsratsmitglied schuldig sein könne. Meine Damen und Herren in den obersten Etagen! Ihre Tätigkeit in Ehren, doch hätten Sie genauso gehandelt, wenn es Ihr eigenes Geld gewesen wäre oder Sie nur einem einzelnen 100 %-Eigentümer berichten müßten?
Sollten wir doch tatsächlich in absehbarer Zeit die erste Verurteilung und / oder die erste gewonnene Schadenersatzklage gegen einen Top-Manager oder Aufsichtsrat sehen? Es wäre ein Gewinn für den Finanzplatz Deutschland und eine der nötigen Voraussetzungen, damit ein Minimum an Vertrauen in dessen Funktionsfähigkeit wieder sprießen kann.
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