Und zwar eine Frage, mit deren Beantwortung man zum heiligen Gral vordringen könnte. Entsprechend umstritten sind die Schlußfolgerungen, denen sich Auguren, die sich mit diesem Thema beschäftigen, hingeben. Eine neue Studie zu diesem Thema, angefertigt von einem namhaften deutschen Investmenthaus, ist interessant, absolut lesenswert und aufschlußreich.
Unter dem Begriff Risikoprämie versteht man die Differenz zwischen der erwarteten Rendite (i.d.R. am Aktienmarkt) und der Rendite einer risikolosen Anlage (z.B. Geldmarktpapiere). Eine Fehleinschätzung dieser Risikoprämie hatte bis Anfang 2000 eine erhebliche Überinvestition in riskante Wertpapiere zur Folge – mit den bekannten Folgen. In Zeiten wirtschaftlich schwieriger Situationen, wie man sie in Deflationen oder Rezessionen vorfindet, neigt die Börsianerschaft zu einer Überschätzung des Risikos, das mit Aktienanlagen verbunden ist, d.h. Liquidität wird Investments vorgezogen.
Zuletzt gab es zwei extreme Situationen, die bezeichnend sind. Anfang 2000 lag die Risikoprämie bei 0,7 %, was nicht anderes bedeutete, als daß Aktien als genauso sicher angesehen wurden wie Festgeld – ein fataler Irrtum, wie wir heute wissen und damals eigentlich auch schon, aber wohl nur vergessen hatten. Im Frühjahr 2003 wiederum schnellte die Risikoprämie auf fast 7 % hoch und damit auf Niveaus, die man seit Ende der 70er Jahre nicht mehr gesehen hatte (2ter Ölpreisschock). Auch dies erwies sich als temporäre Fehleinschätzung, wie wir mit sechs Monaten Abstand nunmehr erkennen dürften.
Derzeit liegt die Prämie bei rund 5 % und damit immer noch auf erhöhtem Niveau, denn der stationäre Mittelwert notiert bei etwas über 3 %. Eine Normalisierung der Risikoprämie (also eine Anpassung nach unten in Richtung 3 %) unterstellt, hätte entsprechende Implikationen für den Aktienmarkt. Ein um 20 bis 30 % höheres Kursniveau für den Dax wäre dann gerechtfertigt, wobei es sich hier natürlich um eine Betrachtung ceteris paribus handelt. Doch wie realistisch ist diese Normalisierung? Wie sind die geopolitischen Verwerfungen einzuordnen? Wie die demografische Entwicklung, die aufziehende Inflation und auch: die Anpassungskosten der Wirtschaft, die durch einen gravierenden Klimawechsel entstehen?
Vieles spricht, so die Studie, für eine Normalisierung, doch bei anderer Gewichtung der Regime (d.h. der Einflußfaktoren auf die Risikoprämie) könnte man ohne weiteres zum genau gegenteiligen Schluß kommen. Wie immer also, und das ist Kennzeichen einer Meta-Wissenschaft. US-Buchautor („Irrationale Übertreibung“) Robert Shiller beispielsweise sieht eine langfristig hohe Risikoprämie, von Friedensdividende also keine Spur. Schließlich und vor allem muß man sich bei der Suche nach einer vermeintlichen Lösung des Risikoprämienpuzzles auch fragen, wer welche Meinung vertritt und welche Interessen dahinterstehen (könnten). In diesem Fall wäre dies eine Entscheidung zwischen einem Yale-Professor und einem Investmenthaus.
Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.