Schon der Detektiv Sherlock Holmes wußte, daß unter unserer Sonne nichts Neues mehr passiert – alles ist schon einmal da gewesen. So auch die „New Economy“. In den „roaring twenties“, der Boomzeit, die dem berühmt berüchtigten Schwarzen Freitag vorausging, sprachen die Menschen bereits von einer neuen Wirtschaft, in der alte Richtlinien ihre Bedeutung verlieren. Hier sind einige Lektionen, die uns die Börse in den letzten Wochen gelehrt hat:
- Unternehmen, die nach den Sternen greifen, dabei aber den finanziellen Boden unter den Füßen verlieren, werden auch in der „New Economy“ nicht weit kommen. Traurig aber war: Boo.com mußte es am eigenen Leib spüren. „Wir dachten, wir seien die nächste Microsoft“, erklärte einer der ausge-boo-ten Mitarbeiter nach dem Zusammenbruch – „war wohl nix“.
- Es kann nur einen geben – na ja, sagen wir zwei oder drei. Der Glaube jedoch, daß in jeder noch so kleinen Nische zig Unternehmen Platz haben – ob im e-Commerce oder Software-Bereich – ist eine Mär. Fressen, gefressen werden oder untergehen – das sind die Optionen.
- Der Investor in der „New Economy“ wird sich in der Zukunft wieder zwei Fragen stellen müssen. Nicht nur „Welches Unternehmen?“, sondern auch „Um welchen Preis?“. Die Weisheit „Die kann man immer kaufen – egal wie teuer“ hat endlich ausgedient.
- „Visionäre“, die uns erklären, daß das Internet unser Leben in solch grundlegendem Maße verändern wird, daß wir es uns heute noch gar nicht ausmalen können, und Analysten, die sagen, daß wir erst am Anfang einer riesigen Revolution stehen, sind zumindest mit Vorsicht zu genießen.
- Big is Beautiful – aber nur unter einer Bedingung. Nur wenn ein Unternehmen bei wachsender Größe sinkende Grenzkosten erzielen und echte Wettbewerbsvorteile vor der Konkurrenz aufbauen kann, wird es seine Position verteidigen können. Bei Amazon ist dies momentan noch nicht sehr deutlich sichtbar.
- Die Geduld der Investoren ist begrenzt.
Was also ist die „New Economy“? Ein nichtssagendes Schlagwort, unter dem irrationale „Phantasie“ kaschiert wurde? Eine echte Revolution unserer Wirtschaft? Irgendetwas dazwischen?
Warren Buffett sagte, das Internet schaffe nicht mehr Wert als ein Kettenbrief. Was er damit meinte, war wohl, daß trotz der atemberaubenden neuen Kommunikationsmöglichkeiten keine „Wertschöpfung“ entsteht. Es kann zu einer – teilweise massiven – Umverteilung der Machtverhältnisse kommen, jedoch nicht zu einem „Wohlstand aus dem Nichts“. Ganz so schwarz muß man nicht sehen, denn das Internet bietet Unternehmen durchaus Einsparungs- und damit indirekt Wertschöpfungspotentiale. Dennoch wird sich mittelfristig herausstellen, daß der harte Wettbewerb gigantische Margen, wie sie etwa bei einigen B2B-Werten angenommen werden, wird dahinschmelzen lassen. Außerdem sollte der lange Atem der Cash-Flow positiven „Old-Economy“- Unternehmen nicht unterschätzt werden.
Das Spiel ist noch nicht vorbei, und ob „new“ oder „old“ – „in the long run“ stehen wir alle auf der Todesliste – oder wie war das?
Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.