Terroristen zu benennen ist nicht schwer, sie zu kriegen dagegen sehr. Diese leidvolle Erfahrung hat das amerikanische Verteidigungsministerium in der jüngsten Vergangenheit nicht nur einmal machen müssen. Nicht erst seit der Regierungsstudie über die Anschläge vom 11. September sind die Schwächen der amerikanischen Geheimdienste auf der Jagd nach Terroristen und vor allem im Ausmachen der nächsten Attentatsziele offen zu Tage getreten. Auf welche Gründe diese Unzulänglichkeiten zurückzuführen sind, sei einmal dahingestellt. Tatsache ist, daß es erhebliches Verbesserungspotential gibt – auch und vor allem in der Prognosesicherheit zukünftiger Attentate. Um dieses Problem anzugehen, ist das Pentagon bereit, auch unkonventionelle Wege zu beschreiten. Das zeigt der jüngste Wurf.
Das US-Verteidigungsministerium will ein Handelssystem ähnlich dem einer Rohstoffbörse einrichten, über das Investoren Terminkontrakte bezüglich politischer und ökonomischer Geschehnisse im Mittleren Osten abschließen können. Auch auf mögliche Attentate soll dabei „gewettet“ werden können. So solle zum Beispiel ein Futures-Kontrakt über die Ermordung des jordanischen Königs Abdullah gehandelt werden können.
Was viele für einen makabren Scherz hielten, ist dem amerikanischen Verteidigungsministerium ein ernstes Anliegen. Das Pentagon setzt auf das Postulat der effizienten Märkte. Alle verfügbaren Informationen – verdeckte wie offen zugängliche – würden damit jederzeit vom (Kontrakt-)Kurs wiedergegeben. Eine effiziente, effektive und vor allem äußerst reaktionsschnelle Methode, um potentielle Gefahren auszumachen, so das Pentagon. Um die Ernsthaftigkeit des Vorhabens zu demonstrieren wurden schon mal 0,6 Mio. US-$ in das Projekt, das mit zwei Privatgesellschaften betrieben wird, investiert. Insgesamt steht für die kommenden zwei Jahre ein Budget von 8 Mio. US-$ zur Verfügung.
So kreativ sich das Pentagon auch gezeigt hat, die Empörung darüber ist (erwartungsgemäß) groß. Wohl zu recht sprechen Senatoren von einer „lächerlichen, grotesken und unglaublich dummen“ Idee. Das Pentagon dagegen argumentiert mit der ökonomischen Relevanz, und in der Tat haben Futures-Märkte schon oft ihre Kraft zur Prognose von zukünftigen Zinssätzen oder Ölpreisen unter Beweis gestellt. In diesem Fall aber scheint die Idee nicht wirklich bis zum Ende gedacht worden zu sein.
Eine Wette auf den Tod einer politischen Figur – von den moralischen und ethischen Einwänden einmal abgesehen – könnte durchaus Prognosekraft besitzen. Nur soll diese Erwartung ja nicht für sich stehen. Das Verteidigungsministerium will schließlich kein Geld als Market-Maker verdienen, sondern (hoffentlich) Anschläge verhindern. Sollte dies aber der Fall sein, wird solch ein Terminkontrakt ad absurdum geführt. Je höher die Wahrscheinlichkeit, daß das betreffende Ereignis eintritt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, daß das Pentagon dieses Ereignis verhindert, womit der Erwartungswert wieder gesenkt würde. Kontrakte über Anschläge mit hohen Eintrittswahrscheinlichkeiten könnten also gar nicht gehandelt werden. Wer geht schon eine (Attentats-)Wette ein, die er garantiert verliert?
Neben diesen theoretischen Überlegungen waren es aber wohl die vielen Proteste, die ihre Kritik eher auf die moralische und ethische Fragwürdigkeit des Projekts abstellten. Obwohl sich potentielle Händler seit heute registrieren lassen können und der Handel am 1. Oktober starten sollte, wurde die betreffende Website www.policyanalysismarket.org erst einmal aus dem Netz genommen. Nicht einmal auf Google sind noch Cache-Versionen zu finden. Wir dürfen gespannt sein, wie das Pentagon nun verfährt, und freuen uns auf einen Terminkontrakt über die Ermordung von Saddam Hussein durch die „Allied Forces“ in 2003 – als Stillhalter.
Die GoingPublic erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.