Der Vorstand der InternationalMedia AG in München ließ sich am 26.05.2003 von seiner Hauptversammlung einen außergewöhnlich großen Blankoscheck ausstellen: Nicht genug, daß der Vorstand für 18 Monate befugt ist, neue Aktien im Umfang der Hälfte des jetzigen Grundkapitals unter Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechts an den Aktionären vorbei für Beteiligungsakquisitionen einzusetzen. Dieser Fall hat sich mittlerweile als „normal“ in die deutschen Aktie-Unkultur eingeschlichen.

Nein, die Münchener Filmvertreiber (demnächst mit „Terminator 3“) wollen auch im Falle eines feindlichen Übernahmeversuchs das Aktienpaket des bösen Raiders zwangsverwässern können, indem ein „weißer Ritter“ mal eben 33 % der Firma (nach Kapitalerhöhung) zugeschoben bekommt. IM sieht sich angesichts des niedrigen Börsenkurses als lukratives Übernahmeobjekt, dessen Vorstand offenbar die Börse nicht vom wahren Wert der Aktie überzeugen kann.

Wollen wir einmal ausmalen, welcher Rahmen sich damit eröffnet? Nehmen wir an, die Aktie stünde irgendwann wieder bei 2,50 Euro. Eine Offshore-Briefkastenfirma, deren Verbindung zu Organmitgliedern niemand nachweisen kann, erwirbt aus befreundeter Hand ein Aktienpaket, das ein Übernahmeangebot und gleichzeitig den „Verteidigungsfall“ auslöst. Der Vorstand läßt eine andere Offshore-Briefkastenfirma, deren Verbindung zu Organmitgliedern auch niemand nachweisen kann, den „Weißen Ritter“ spielen und ihn 33 % der Firma zu je einem Euro übernehmen. Die Streubesitzaktionäre wundern sich nun, warum ihr Anteil zwangsverwässert wurde – nur zu ihrem Wohle, wie der Vorstand der Hauptversammlung vergewisserte.

Früher einmal überboten sich Kaufinteressenten gegenseitig und gaben der Börse dadurch einen Hinweis, wo sie den wahren Wert der Aktie sehen. Die Aktionäre freuten sich, daß sie zu einem hohen Preis verkaufen konnten oder aber gezeigt bekamen, was ihr Unternehmen wert ist. Solche zwangsverwässernden Poison Pills passen zur Zwangsenteignung von Streubesitzaktionären per Squeeze-out-Verfahren. Wenn sich auch diese „Errungenschaft“ des deutschen Kapitalmarktes als rechtskonform erweisen sollte, so beginnen sich hoffentlich die Aktionäre deutscher Unternehmen ihrer Bedeutung bewußt zu werden und die Konsequenzen daraus zu ziehen.

Wen darf dann noch wundern, daß die Börse ihre Funktion als Sammelstelle für haftendes Eigenkapital so mangelhaft erfüllt?

Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.