Das jüngste Beispiel dafür ist der Börsengang der F-Log AG aus Greven: Angekündigt wurden die Pläne für das IPO des Logistikdienstleisters gerade erst einmal vor knapp zwei Wochen. Üblich ist eine Frist von mindestens vier bis fünf Wochen bis zur Emissions-PK, damit sich sowohl institutionelle Anleger als auch die Medienvertreter rechtzeitig informieren und sich den Termin vormerken können. Daher rechnete auch niemand ernsthaft mit dem Beginn der Zeichnungsfrist vor Mitte Oktober. Die Einladung zur IPO-Pressekonferenz einen Börsentag vor der Veranstaltung überraschte selbst ansonsten gut informierte Insider. Wer der Veranstaltung beiwohnen wollte, mußte dies noch am gleichen Tag bestätigen. Wohl dem, der sich den Montag morgen nicht mit anderen Terminen blockiert hatte! Ob der Kürze des Prozederes drängte sich bereits jetzt eine naheliegende Schlußfolgerung auf: Das Unternehmen oder vielmehr die Konsortialbanken wollen die Gunst der Stunde nutzen und die Aktien noch vor denen des großen Mitbewerbers, der Post AG, plazieren. Zudem zeigt die Erfahrung, daß Unternehmen, die kurzfristig und überhastet die „Gunst der Stunde“ nutzen und an die Börse eilen, erheblich schlechter performen als solche, die den Börsengang solide vorbereiten. Bei F-Log drängen sich gerade Parallelen zu Lycos Europe auf. Auch der Bertelsmann-Abkömmling nutzte gerade noch den Internet-Hype Ende März um noch schnell vor dem „Massenevent“ T-Online-Börsengang an den Neuen Markt zu eilen. Auch beim Pricing wußte man den Internet-Hype auszunutzen und reizte das Maximale aus. Doch was kurz darauf folgte, ist bekannt: Dem Exzeß folgte rasch die Ernüchterung – die Aktie von Lycos Europe hat den Emissionspreis zu keiner Zeit von oben gesehen!
Auf der IPO-Pressekonferenz von F-Log mußte man dann neben den wichtigen und interessanten Informationen wie Zeichnungsfrist, Bookbuilding-Spanne, zu plazierendes Volumen etc., den üblichen Marketing-Vortrag über First Movership, Business Roll-out und die Einzigartigkeit des Geschäftsmodells sowie die langjährige Erfahrung des Managements über sich ergehen lassen. Lag es an den vielen Anglizismen oder an der verklausulierten Darstellung, daß man nachher immer noch nicht so genau wußte, was das Unternehmen eigentlich von seinen Mitbewerbern unterscheidet? Intelligente Logistik-Konzepte und kürzeste Lieferzeiten bieten schließlich alle an. Auch die Spezialisten bei D.Logistics oder Thiel Logistik schlafen jedenfalls nicht, wenn es um die effiziente Verknüpfung von e-Business-Plattformen der New Economy mit der Lagerwirtschaft und dem Transportwesen der Old Economy geht. Und der „Gelbe Riese“, der ja bereits in den Börsenstartlöchern sitzt, wandelt sich derzeit rasant zu einem der führenden Logistik-Konzerne weltweit. Auch die Post ist daher mit einem flächendeckenden Netz an Logistikzentren in der Lage, fast jede Ware an jedem denkbaren Ort einzusammeln und in der kürzesten Zeit am anderen Ende der Welt auszuliefern. Wo bleiben da bitte die vielbeschworenen Differenzierungsmerkmale?
Zugegeben, F-Log schreibt schwarze Zahlen und ist als Logistiker in einem attraktiven Markt tätig, der Platz für einige Mitspieler läßt. Auch das Subsegment Pharma- und Medizinaltechnik-Logistik, in dem F-Log unter anderem aktiv ist, bietet zweifelsohne genügend Wachstumsperspektiven. Das vielbemühte Bild von den „Schaufellieferanten für den Goldrausch des Internetzeitalters“ trifft daher auch bestimmt für die Grevener zu. Vielleicht sind es statt Schaufeln sogar Schubkarren, die hier für den Transport im e-Commerce bereitgestellt werden. Dennoch muß man sich fragen, ob ein geschätztes Marktwachstum von gerade einmal 35 % auf die nächsten drei Jahre ein 2001er KGV von 116 und ein KUV von 3 rechtfertigen. Die nicht am Neuen Markt notierten Logistiker Stinnes und IFCO sind jedenfalls bei ähnlich guten Geschäftsaussichten weitaus günstiger zu haben!
Zudem gibt die Muttergesellschaft Fiege Deutschland bei voller Ausübung des Greenshoe immerhin 2,67 Mio. Aktien des Emissionsvolumens von 7,67 Mio. Aktien des erst im August 2000 ausgegliederten Unternehmens ab. Dies dürfte am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne ca. 99 Mio. Euro in die Fiege-Kassen spülen. Diese Zahl entspricht übrigens fast genau dem 1999er Umsatz von F-Log! Doch da wird nicht das ganze Unternehmen verkauft, sondern lediglich 13 %! Ein Schelm, wer dabei von einem Abkassiermodell spricht …
Warum ist die IPO-Bewertung also so hoch und warum können die Beteiligten trotzdem so sicher sein, die Emission auch bei ihren angelsächsischen Investoren gut zu plazieren? Die Begründung ist einfach: Die von den Konsortialbanken herangezogene Peer Group aus D.Logistics, Thiel und Microlog weist derzeit mit einem durchschnittlichen umsatzgewichteten 2001er KUV von 5 und einem Gewinn-Multiple von 112 eine ähnlich hohe Bewertung auf! So lange der Logistik-Hype am Neuen Markt anhält, läßt sich ein derart hohes Pricing noch rechtfertigen. Der Logistik-Boom wird jedoch wahrscheinlich nicht ewig anhalten; das IPO der Post könnte bereits die Ernüchterung bringen. Daher sollten sich besonnene Anleger in diesem, wie auch in anderen, ähnlich gelagerten Fällen, nicht von den überzogenen Preisvorstellungen der Banker verschaukeln lassen. GoingPublic rät, eher einmal von einer Zeichnung abzusehen, statt sich über kurz oder lang die Finger zu verbrennen!
Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.