Immerhin wächst dadurch zwischen List und Oberstdorf sprunghaft der Anteil der Bevölkerung, der das Wort „Bookbuilding“ fehlerfrei aussprechen kann. Selbst die Helgoländer Tagespresse informiert, wie ich mir berichten ließ, erschöpfend über die Riesenemission, bei der immerhin 154,2 Mio. Aktien (ohne Greenshoe) zu je 35 Euro (jeder andere festgesetzte Preis wäre eine Riesenüberraschung) verteilt werden sollen.
Nach Angaben des Unternehmens sollen 9 % des Emissionsvolumens von rund 5,4 Mrd. Euro für wohltätige Zwecke bereitgestellt werden – im Sinne von Wohltaten (= bevorzugte Zuteilung) für Freunde und Familienangehörige, neudeutsch “Friends & Family“. Die Prozentzahl an sich scheint auf den ersten Blick im Rahmen zu bleiben. Alleine die öffentliche Nennung der Quote bringt einen IPO-Transparenz-Pluspunkt extra. Und sicherlich hat die Bindung von unternehmensnahen Personen günstige strategische Effekte. Trotzdem stockte mir das Blut in den Adern, als ich zum Taschenrechner griff:
Ein mittlerweile bundesweit namentlich bekannter Düsseldorfer Makler schrie mir soeben „Infineon 98 zu 104“ aus dem Telefon ins Ohr. Nehmen wir die Mitte, das wären 101 Euro pro Aktie als Erwartungswert für den ersten Börsenkurs. Abzüglich Emissionspreis bleiben 66 Euro. 9 % von 154,2 Mio. Aktien sind 13,878 Mio. Aktien. Multipliziert mit dem vermutlichen Zeichnungsgewinn errechnen sich 915,9 Mio. Euro oder gut 1,8 Mrd. DM. Natürlich vor Steuern. Genug, um 25.000 Familienmitglieder und Freunde des Hauses mit je einem Untertürkheimer Sportcoupé auszustatten.
Heute abend werde ich jedenfalls durch die Discos der Stadt, in der neben meiner Wenigkeit auch Infineon residiert, streifen, ob sich nicht irgendwo die gutaussehende Tochter eines Friends&Family-Mitglieds findet. Und falls der Trick nicht funktioniert, um als „Friend“ an die Aktien heranzukommen: Vielleicht lassen sich die börsenbewegenden acht Buchstaben auch auf Platz zwei der Themenliste zurückdrängen. Zu Gunsten des Themas mit drei Buchstaben. Dann bin ich beim nächsten Mal eben als „Family“ dabei.
Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.