Keine Frage, die Skepsis ist immer noch groß unter den Anlegern. Kann man nun von einem neuen Wirtschaftsaufschwung in den USA und Euroland sprechen? Haben die Unternehmen ihre Ertragskrise wirklich schon wieder überwunden? Natürlich, das Tief der Rezession scheint allerorts schon hinter uns zu liegen – vorerst zumindest. Nicht nur für die USA, wo fast alle Indikatoren wieder starkes Wachstum signalisieren, auch für den europäischen Raum werden wieder Wachstumsraten prognostiziert, die diese Bezeichnung auch verdienen. Also alles wieder in Ordnung?
Glaubt man den Kursen, dann ist die Frage schnell beantwortet: Alles bestens. Seit dem Frühjahr klettern die Indizes weltweit wieder fröhlich nach oben, und die Kursverläufe mancher High Tech-Aktie erinnert wieder genauso stark an die gute alte Tech-Bubble wie deren Bewertungen. Aber zu stören scheint das momentan kaum jemanden. Gut, die Kurse sacken mal durch. Aber das wird eher als Gelegenheit zum schnellen Einstieg genutzt, denn als mahnender Hinweis auf ein drohendes Ende. Nun steht die Quartalssaison an, und manch ein Experte warnt vor bösen Überraschungen. Doch davon scheint sich die wiederbelebte Anlegergemeinde nicht beirren zu lassen. Sie hat wieder Blut geleckt. Jetzt lockt der schnelle Gewinn. Andere dagegen brauchen keinen Experten, um zu wissen, wann die Zeit zum Ausstieg gekommen ist. Sie sitzen an der Quelle – und sie verkaufen schon seit einiger Zeit massiv.
Die Sprache ist von amerikanischen Firmenchefs und Aufsichtsratmitgliedern, diejenigen also, die in den USA als Insider gelten und ihre Aktien(ver)käufe der Börsenaufsicht melden müssen. Wer hätte ein besseres Verständnis, einen besseren Blick für das eigene Unternehmen, als diese Manager. Sie sind es doch, die zu wirklich allen Informationen bezüglich des Unternehmens Zugang haben. Auf die Qualität ihres Urteils zu setzen, ist also kaum abwegig. Das belegen viele Studien. Glaubt man ihnen aber, so sollte die folgende Information sehr nachdenklich stimmen.
An der Nasdaq hat das Verhältnis von Insider-Verkäufen zu Insider-Käufen den höchsten Stand aller Zeiten erreicht. Speziell vor heißgelaufenen Tech-Werten ist also Vorsicht geboten. Aber nicht nur hier droht Gefahr. Den gesamten US-Markt betrachtet, lag das Verhältnis von Insider-Verkäufen zu Käufen im August bei 45 zu 1. Für jeden investierten Dollar wurden fast 45 verkauft – so viel, wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr.
Natürlich, das Verhältnis der Insider-Trades ist nur ein Indikator unter vielen. Es gibt andere, die genau das Gegenteil darstellen. Aber seine Relevanz ist kaum zu leugnen und dürfte manch einen technischen Indikator noch weit in den Schatten stellen. Deshalb gilt: Die Wende im Markt kann auch dieser Indikator nicht voraussagen. Immerhin weisen die Insider-Trades schon seit vier Monaten dieses verkaufslastige Verhältnis auf, der Markt aber lief unbeirrt weiter. Trotzdem jedoch sollte jederzeit mit einem (deutlichen) Rückschlag gerechnet werden – welcher Firmenboss verschenkt schon gerne Geld, besonders, wenn es das eigene ist?
Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.